Alaska
Rudenko, der große, behaarte Händler, der Cidaq erworben hatte und der von den Robbeninseln entflohen war, fest entschlossen, alles zu tun, um nicht wieder dorthin zu müssen. Als die Beamten der Handelsgesellschaft entdeckten, dass er sich als blinder Passagier auf einem Boot versteckt hatte, das mit einer Ladung Pelze zurückgesegelt war, verhafteten sie ihn. Jetzt stand er in dem primitiven Büro am Eingang der Hafenanlage und fragte mit gespielter Reue: »Wissen Sie überhaupt, wie es da oben aussieht? Menschen haben da vorher nie gelebt, nur Robben. Jetzt sind eine Handvoll Aleuten und ein paar Russen da. Einmal im Jahr ein Schiff. Wenig zu essen. Keinen, mit dem man reden kann.«
»Deswegen haben wir Sie ja dahin geschickt«, fiel ihm ein junger Offizier ins Wort, der noch nie hatte Not leiden müssen. »Sie haben sich hier als nicht fügsam erwiesen, also werden wir Sie mit dem nächsten Schiff zurückschicken. Dort gehören Sie hin, und dort werden Sie für immer bleiben.«
Rudenko erbleichte, und seine ganze Wildheit, die er als heimlicher Herrscher auf der »Zar Ivan« und unter den Händlern auf Kodiak entfaltet hatte, war dahin. Die schreckliche Einsamkeit der Robbeninseln für den Rest seines Lebens ertragen zu müssen, das war eine Vorstellung, mit der selbst er sich nicht abfinden konnte. Inständig flehte er die Beamten an: »Nichts als Regen. Kein Baum. Im Winter liegt alles erstarrt im Eis, und wenn die Sonne wieder hervorkommt, bevölkern ganze Robbenmassen die Insel. Die Fangquote hat man in einer Woche zusammen, das schafft ein Sechsjähriger, und dann - nichts.«
Aus seinem gewaltigen Körper, aus den Muskeln und von den schweren Schultern schien das Kämpferische abzufallen, seine Überheblichkeit war verschwunden. Sollte er ein zweites Mal dazu verurteilt werden, ein Boot zu besteigen und zurück auf die öde Insel zu segeln, dann würde er unterwegs von Bord springen oder sich gleich nach der Landung das Leben nehmen. Seine besten Jahre in stumpfer Sinnlosigkeit zu vergeuden - das war eine Aussicht, die ihn aufschreien ließ: »Schicken Sie mich nicht zurück!«
Die Beamten blieben hart. »Wir haben dich dorthin verbannt, weil wir hier mit dir nichts anfangen konnten. Hier ist kein Platz für dich.«
Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg, der, obwohl gänzlich unzutreffend, ihn für seine noch verbleibenden wilden Jahre an Kodiak binden sollte: »Meine Frau ist hier! Sie dürfen einen gläubigen Russen nicht von seiner Frau trennen!«
Diese Nachricht rief Verblüffung bei seinen Zuhörern hervor. Sie schauten sich gegenseitig an und fragten: »Kennt irgendjemand hier seine Frau?« Und: »Warum hat man uns das nicht gesagt?« Am Ende schließlich erhob sich der Beamte, der zur Zeit für die Geschäfte der Handelsgesellschaft verantwortlich war, und sagte: »Führen Sie ihn ab. Wir werden dem nachgehen.«
Mit der Untersuchung wurde ein Marineoffizier beauftragt, Leutnant zur See Fedor Belov, der seine Erkundigungen einleitete, während Rudenko im Gefängnis blieb. In den erschöpfenden Verhören, die er durchführte, erfuhr der junge Offizier, dass der Sträfling Rudenko tatsächlich auf der Insel Lapak ein aleutisches Mädchen erworben hatte und dass er, auch wenn er sie schlecht behandelt hatte, doch in gewisser Hinsicht als ihr Ehemann gelten konnte. Als Belov seine Vorgesetzten darüber informierte, wurden sie auf einmal ganz besorgt, denn, wie sich der Leiter der Handelsmission ausdrückte: »Wir sind von der Zarin angewiesen worden, den Russen behilflich zu sein, die hier eine Familie gründen wollen, und sie hat ausdrücklich erwähnt, dass die Ehe mit eingeborenen Mädchen, wenn sie zum christlichen Glauben übertreten, begünstigt werden soll.« Die Zarin, von der er sprach, war Katharina die Große, absolute Alleinherrscherin, deren Macht sehr weit reichen konnte, und es war ratsam, darauf zu achten, dass jeder von ihr erlassenen Verordnung auch Folge geleistet wurde.
Leutnant zur See Belov wurde wieder an die Arbeit geschickt, wobei Gegenstand seiner Untersuchung diesmal Rudenkos angebliche Frau war. Gab es sie überhaupt? War sie christlichen Glaubens? Konnte die Trauung von Kodiaks einzigem orthodoxen Priester vollzogen werden, der die meiste Zeit betrunken war? Der letzten Frage ging er zuerst nach, und als er auf Pater Petr stieß, einen heruntergekommenen siebenundsechzigjährigen Geistlichen, der mehrmals erfolglose Eingaben gemacht hatte, nach Russland
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