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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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für alle Menschen auf den Inseln verantwortlich, ob Russen, Kreolen, Aleuten, Koniags, da gibt es für mich keinen Unterschied.«
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung.«
    »Aber ich gedenke auch etwas zu tun. Wie viele Kinder haben durch die Flutwelle ihre Eltern verloren?«
    »Mindestens vierzehn, fünfzehn.«
    »Eröffnen Sie ein Waisenhaus für sie. Noch heute Nachmittag .«
    »Ich habe kein Geld. Der Bischof hat versprochen...«
    »Ihr Bischof, Vasili, er verspricht, aber schickt kein Geld. Bei mir, da ist es die Handelsgesellschaft. Sie bekommen alles, was Sie brauchen.«
    »Wie soll ich dann ...?«
    »Ich werde zahlen. Die Ehre Russlands steht auf dem Spiel, und wenn die feinen Herren, die der Handelsgesellschaft vorstehen, nicht die Ehre Russlands bedenken, dann tut es der Kaufmann, der Kodiak vorsteht.« Von da an bestritt er das Geld für das Waisenhaus von seinem eigenen mageren Gehalt.
    »Aber wer soll es leiten?« fragte er den Priester, und nachdem sie eine Weile überlegt hatten, fiel Vasili ein, wie sehr Sofia, während ihrer gemeinsamen Gespräche, die Geschichten über die Liebe Jesu zu den Kindern bewegt hatten, und er sagte: »Sofia Rudenko wäre genau die richtige.«
    »Sie ist doch gerade erst fünfzehn Jahre, ein Kind noch.«
    »Sie ist siebzehn.«
    »Ich kann es nicht glauben.« Man schickte nach ihr, und als sie vor Baranov stand, fragte er sie rundheraus: »Mein Kind, wie alt bist du?« Und sie sagte: »Siebzehn.« Dann fragte er: »Traust du dir zu, ein Waisenhaus zu leiten?« Und sie: »Was ist das?« Nachdem man es ihr erklärt hatte, sagte sie: »Pater Vasili hat erzählt, Jesus hätte gesagt: › Mögen die Kindlein zu mir kommen. ‹ Ja, Kinder sind meine Freude.« Und mit Baranovs Geld und Sofias Liebe würde das erste. Waisenhaus auf Kodiak eröffnet.
    Baranov, entschlossen, allem, was er in die Wege leitete, auch zum Erfolg zu verhelfen, gab Vasili den Rat: »Kümmern Sie sich darum, dass die Sache einen guten Anfang nimmt.« Und der junge Priester behielt die Oberaufsicht, brachte ihr die wichtigsten Dinge für ihre neue Arbeit bei und unterwies die Waisenkinder in der neuen Religion. Ihre enge Zusammenarbeit, aber vor allem Sofias Begeisterung, mit der sie den jüngsten Kindern eine Mutter und den schon größeren Jungen und Mädchen eine ältere Schwester war, gaben ihm Mut. Sie hatte so großen Einfluss auf die Jüngeren, dass einer der alten Aleuten Baranov berichtete: »Wenn sie ein Mann wäre, dann hätten wir sie zu unserem neuen Schamanen gemacht.« Aber Sofia wusste , dass das nicht stimmte, denn nach dem Unglück hatte sich ein echter Schamane im Ort oder dem, was davon übriggeblieben war, eingeschlichen und sich alle Mühe gegeben, die Aleuten vom Christentum fernzuhalten, aber seine Magie erschien ihr jetzt schäbig, und verglichen mit den geistigen Wundertaten, die sie in ihrem Waisenhaus und Pater Vasili in seiner behelfsmäßig wiederaufgebauten Kirche vollbrachten, erreichte er überhaupt nichts und verschwand bald auch wieder.
    Sofias Arbeit in dem Waisenhaus ermöglichte es Vasili zu beobachten, wie sie langsam heranreifte, und auf vielfältige Weise fühlte er sich zu ihr hingezogen. Sie war ernsthaft, aber immer bereit, in ihr warmes Lachen auszubrechen, sie war fleißig, aber immer für ein ausgelassenes Spiel mit den Kindern zu haben, und vor allem machte sie die Menschen, egal, welchen Alters oder welcher Hautfarbe, in ihrer Gegenwart glücklich. Als sie auf die Zwanzig zuging, wurde sie noch hübscher, sie war ein paar Zentimeter gewachsen, das Gesicht nicht mehr ganz so rund, der Lippenpflock aus Walknochen etwas weniger auffällig. Eines Abends, als Pater Vasili die Wärme des Waisenhauses hinter sich ließ und unter einem klaren Sternenhimmel zu dem freudlosen Gebäude zurückkehrte, das vorübergehend als Kirche diente, sah er zur Fichte des Schamanen hoch und rief laut: »Ich war niemals für den schwarzen Rock bestimmt! Ich bin verliebt in sie - seitdem ich meinen Fuß auf diese Insel setzte.«
    Er spürte, dass diese Entwicklung unausweichlich war, und empfand sie in keiner Weise als beunruhigend, was der Fall gewesen wäre, hätte er in der römisch-katholischen Kirche seinen Dienst versehen, in der das Zölibat als ein Akt des Glaubens und der Hingabe galt; in dem orthodoxen Zweig, wie er es bei seinem eigenen Vater hatte beobachten können, waren weit über die Hälfte der Priester »Weißröcke«, die mit Billigung ihres Bischofs eine Ehe eingegangen

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