Alaska
verletzt. Er braucht, Beistand.« Mit angsterfüllten Augen sah er sich in dem vor Schmutz starrenden und unordentlichen Raum um und fragte Sofia verwundert. »Wie konntest du glauben, dass hier die Erleuchtung ist?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, verließ er die Hütte, nicht wissend, dass die alte Religion des Schamanismus ihren letzten Kampf gegen das Christentum austrug und unterliegen sollte.
Unglücklicherweise waren die Kinder, die man nach Sofia geschickt hatte, in der Nähe, als Rudenko heimkehrte und bellte: »Wo ist meine Frau?« Und sie erzählten. »Sie ist zum Schamanen gegangen.« Wütend rief er seine beiden Zechkumpane: »Geben wir dem Alten den Rest!« Und zu dritt stürmten sie die Hütte unter dem Baum, fanden Sofia, wie sie den Schamanen pflegte, und Rudenko schlug ihr ins Gesicht, bevor er sie rauswarf. Sie zogen den alten Mann hoch, richteten ihn auf, und als er ihnen entgegenkippte, schleuderte Rudenko ihm seine Faust ins Gesicht, worauf er zu Boden fiel. Mit Füßen traten sie den am Boden Liegenden tot.
Der Mord an dem Schamanen rief unter den beiden Führern Kodiaks große Verwirrung hervor. Als Pater Vasili von dem Tod hörte, eilte er zur Hütte und kümmerte sich um alles, als wäre der Schamane ein Bruder seiner eigenen Kirche gewesen. Er fühlte sich nicht, als hätte er durch die Niederlage seines Rivalen nun einen persönlichen Sieg davongetragen; er zündete eine, Kerze neben dem Toten an, starrte ihn an, Übelkeit überkam ihn beim Anblick des blutbefleckten Bodens, und Tränen des Mitgefühls stiegen in ihm auf, als Matrosen den Leichnam endlich fortschafften. Er kniete nieder und betete für die Seele des Verstorbenen, des fehlgeleiteten, aber heldenhaften Widersachers, dann erhob er sich mit neuer Entschlossenheit, um der Plage des Schamanismus endgültig ein Ende zu machen. Mit dem Eifer eines jungen Mannes, der fest glaubt, recht zu handeln, sammelte er all die absonderlichen Dinge ein, die Wünschelruten, kleinen geschnitzten Holzstücke, blankgeputzten Elfenbeinsplitter und Steine, die der Schamane benutzt hatte, um angeblich mit den Geistern in Verbindung zu treten, warf alles auf einen Haufen, an der Stelle, wo die Leiche gelegen hatte, streute leicht entzündbare Fichtennadeln darüber und setzte ihn mit der Kerze in Brand.
Als die Werkzeuge des Schamanen in Flammen aufgingen, kamen Menschen angelaufen und riefen. »Pater Vasili! Raus ... schnell!« Gerade wollte er die Hütte verlassen, da entdeckte er in einer Ecke einen Beutel aus Seehundfell. Er schaute hinein und fand eine dunkle lederartige Masse. Halb erstickt von den giftigen Rauchschwaden der verbrennenden Symbole, murmelte er: »Das muss die Mumie sein, von der Sofia gesprochen hat.« Er riss die Tasche auseinander und sah sich dieser widerborstigen alten Frau gegenüber, die dreizehntausend Jahre überlebt hatte.
Mit einem Schaudern wollte er die Ketzerin gerade den Flammen übergeben, als Sofia in die Hütte stürmte, sah, was er vorhatte, und - zu spät - schrie: »Nein! Nein!« Mit Schrecken musste sie mit ansehen, wie das Feuer die alte Frau verschlang, deren Geist sich dem Tod so lange entgegengestellt hatte.
»Was hast du getan?« weinte sie, und als der Priester die Hütte verließ, folgte sie ihm nach draußen in die Kälte der Nacht und rief immer denselben Satz, bis Rudenko, ihr brutaler Mann, sie zum Schweigen brachte. Er versetzte ihr einen so gewaltigen Schlag, dass sie zu Boden fiel. So blieb sie liegen, den Blick auf die brennende Hütte gerichtet, und ergab sich dann der heillosesten Verwirrung ihres Lebens. »Sie ist bewusstlos !« rief Pater Vasili, und zwei Aleuten hoben sie auf.
In diesem Augenblick tauchte Baranov auf, und als er von dem Mord an dem Schamanen erfuhr, war er entsetzt, denn er sah die Komplikationen voraus, die das möglicherweise auslösen würde. Wie alle Russen hatte auch er den Schamanen nur Verachtung entgegengebracht, aber erkannt, dass sie ein wirksames Mittel wären, die Aleuten im Zaum zu halten. »Wer hat das getan?« fragte er, aber dann sah er Sofia Rudenko, gestützt von zwei Männern, ihr Gesicht übel zugerichtet.
»Rudenko«, antwortete Kyril Zhdanko. »Er war es. Hat den Schamanen getötet und seine Frau zusammengeschlagen«, und ohne den Befehl abzuwarten, ging er los, den Verbrecher zu verhaften, der mittlerweile seinen vierten Mord begangen hatte.
Als man den bärtigen Jäger zur Bestrafung in das behelfsmäßige Amtszimmer gezerrt hatte, sah
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