Alaska
er unten etwa zwanzig Indianer misstrauisch auf den Palisadenzaun blicken, in der Hoffnung, dass sie die Genehmigung erhielten, auf dem für sie reservierten Platz Häuser zu bauen.
Die Rückkehr der ehemaligen Feinde machte die russischen Wachposten verlegen, nicht aber Baranov; er hatte sie erwartet, und als er jetzt den Berg herunterlief, rief er: »Schnell, bringt was zu essen! Die alten Decken! Hammer und Nägel!« Beide Hände vollgeladen mit Geschenken, ging er auf die Tlingits zu, drängte ihnen die Sachen auf, und als ein alter Mann, der etwas Russisch sprach, zu ihm sagte: »Wir kommen zurück, besser hier«, musste er mit den Tränen kämpfen.
Dieser Moment der Hochstimmung jedoch war schnell vergessen, als Baranov mehr und mehr Enttäuschungen erfahren musste , die einen Schatten auf die restlichen Jahre seines Lebens werfen sollten. Er selber verursachte diese Unstimmigkeiten, denn je weiter er Neu-Archangelsk zu einem wichtigen Stützpunkt ausbaute, desto häufiger schickte die russische Regierung Marineschiffe zur Unterstützung der Insel, und das bedeutete, dass Marineoffiziere in voller Uniform an Land kamen, um in Augenschein zu nehmen, »was denn der Krämer Baranov da draußen auf die Beine gestellt hat«. Und wie man ihn schon vor vielen Jahren gewarnt hatte, als man ihn nach seiner Befähigung, die Geschäfte der Handelsgesellschaft zu verwalten, befragt hatte, »gibt es auf der Welt nichts Überheblicheres als einen russischen Marineoffizier«.
Derjenige, den Zar Alexander I. erwählt hatte, den Pazifik mit dem Kriegsschiff »Muscovy« zu durchstreifen und die ansässigen Beamten in Kodiak und vor allem in Neu-Archangelsk zu peinigen, war ein ausgesprochener Dandy. Leutnant Vladimir Ermelov, ein draufgängerischer Fünfundzwanzigjähriger, konnte geradezu als die Karikatur eines jungen russischen Adeligen gelten, stets bereit für ein Duell, wenn seine Ehre in irgendeiner Weise in Zweifel gezogen wurde: Groß, hager, schnauzbärtig, von gehetztem Gesichtsausdruck und strenger Haltung, brachte er einfachen Soldaten, Bediensteten, den meisten Frauen und allen Kaufleuten nicht nur Verachtung, entgegen, sondern verwehrte ihnen auch jegliche Höflichkeit, Tapfer im Krieg, mittelmäßig als Marineoffizier, aber immer willens, sein Verhalten mit dem Degen oder der Pistole zu verteidigen, war er der Schrecken auf jedem Schiff, das er kommandierte, aber glänzender Mittelpunkt, wenn er in seiner weißen Uniform an Land ging.
Leutnant Ermelov, Spross einer Adelsfamilie, die dem russischen Herrscherhaus einige der dickköpfigsten und unfähigsten Berater gestellt hatte, war verheiratet mit der Enkelin eines echten Großfürsten, was ihr ein Adelspatent auf Lebzeiten eingebracht hatte, und wenn sie auf seinen Reisen mit an Bord war, glaubten beide, dass sie als persönliche Abgesandte im Dienst des Zaren zu behandeln seien. Alleine war Ermelov schon schrecklich genug, aber mit der Rückendeckung seiner hochnäsigen Gattin, wie ein Unteroffizier Pater Vasili berichtete, »verdammt unausstehlich«.
Als Ermelov mit der »Muscovy« in Sankt Petersburg ablegte, wusste er nichts über Alexander Baranov, der sich im östlichsten russischen Besitztum abplagte, aber während der langen Fahrt, die ihn um die ganze Welt führte, ging er in vielen Häfen vor Anker, und bei Gesprächen mit russischen, englischen oder amerikanischen Kapitänen, die mal in Kodiak oder Sitka angelegt hatten, erzählte man sich merkwürdige Geschichten über diesen ungewöhnlichen Mann, der durch Zufall, so schien es, in den Aleuten - »Diese verfluchte, nebelverhangene Pelzinsel; oder hieß sie Kodiak, aber da ist es auch nicht angenehmer« - in eine Stellung von nicht geringer Bedeutung gestolpert war, und je mehr er hörte, desto erstaunter war er, dass die kaiserliche Regierung einem solchen Mann die Verantwortung für eines ihrer an Wichtigkeit zunehmenden Gebiete übertragen hatte.
Madame Ermelova, die vor ihrer Heirat mit Prinzessin angeredet worden war und noch immer das Recht hatte, diesen Titel zu führen, war besonders irritiert über das, was ihr über »diesen verdammten Kerl Baranov« zu Ohren kam. Als die »Muscovy« 1811 Hawaii verließ, war Madame voll mit Geschichten über »den verrückten Russen da oben in Neu-Archangelsk, wie es jetzt heißt«, und die beiden Ermelovs waren, bereits bevor sie ihm das erste Mal begegneten, schlecht auf diesen Mann zu sprechen, den sie als Eindringling betrachteten, für Ermelov
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