Alaska
in der Tatsache zu suchen, dass er selbst wieder einmal ohne Ehefrau war. Aus ihm unerklärlichen Gründen führte sich seine eingeborene Frau Anna genauso auf wie seine Frau daheim in Russland ; sie weigerte sich, ihr bequemes Zuhause in Kodiak aufzugeben, nur weil er in dem ihrer Meinung nach weniger reizvollen Ort Neu-Archangelsk mit ihr zusammenleben wollte. Beider Frauen beraubt, holte er wenigstens seine beiden Kinder, die er zusammen mit Anna hatte, nach Sitka, wo er versuchte, ihnen Vater und Mütter zu sein, und fand sich im Übrigen mit der Tatsache ab, dass er w ohl zu den Männern gehörte, die nicht in der Lage seien, eine Frau an sich zu binden.
Die Prinzessin, nicht gewohnt, dass ihr von irgendjemandem widersprochen wird, rümpfte ihre patrizische Nase über diesen lächerlichen Glatzkopf - Baranov trug seine Perücke nur bei feierlichen Anlässen - und sagte hochmütig, als würde sie einen Bauern aus ihren Diensten entlassen: »Monsieur Baranov, hier in Neu-Archangelsk sieht man Hunderte von Aleuten. Sie sind alle Wilde, und die Frau des Priesters gehört auch dazu.«
Wohlwissend, dass er sich auf einen gefährlichen Kurs begab, warf Baranov sein Doppelkinn vor und antwortete: »Ich sehe in diesen Aleuten die Zukunft Russisch-Amerikas, und keiner dieser Menschen ist vielversprechender als die Frau des Priesters.« Aufgescheucht durch diese grobe Zurückweisung, fuhr sie ihn an: »Merken Sie sich, diese Frau wird wieder in der Gosse landen. Wenn sie als gläubige Christin auftritt, dann nur, um solche Männer wie Sie zu täuschen, die sich so leicht hinters Licht führen lassen«, und als sie das nächste Mal ihren Gatten sah, bestürmte sie ihn: »Baranov war sehr schroff zu mir, als ich ihn rügte, dass er diese jämmerliche Person nicht in Schutz nehmen dürfe, die sich an den Priester gebunden hat. Ich möchte, dass du Sankt Petersburg in Kenntnis setzt; dieser Voronov macht sich mit der kleinen Wilden ja zum Gespött.«
Vladimir Ermelov, aus der Erfahrung, die sich verheiratete Männer oft qualvoll aneignen müssen, hatte gelernt, seiner eigensinnigen Frau niemals zu widersprechen, vor allem auch, weil sie enge Verbindungen mit der Familie des Zaren hegte. Dieses Mal jedoch ließ er ihr Wettern gegen Sofia Voronova unbeachtet, denn die Führung ihres Mannes Vasili Voronov konnte er in seinen Depeschen in die Heimat nur in den leuchtendsten Farben schildern, und diese erste Beurteilung war es auch, die den Weg für die außergewöhnlichen Ereignisse ebnete, die sich im späteren Leben des Priesters zutragen sollten:
»Je schlimmer Baranov erscheint - und ich habe nur seine eklatantesten Fehler und Missgeschicke berichtet umso besser steht sein Priester Vasili Voronov da als ein außergewöhnlicher Mann der Kirche. In der Vollkommenheit seiner Auffassungen und dessen, was er erreicht hat, ist er geradezu ein Heiliger, und ich möchte ihn Eurer Exzellenz Aufmerksamkeit empfehlen, nicht nur wegen seiner religiösen Tugendhaftigkeit, sondern auch weil er Russland so vortrefflich repräsentiert. Ich habe an ihm nur eine Schattenseite ausmachen können: Er ist verheiratet mit einer Aleutin von auffällig dunkler Hautfarbe, aber sollte er auf einen höheren Posten versetzt werden, könnte er sich wohl von ihr lossagen, denke ich.«
Als die Prinzessin jetzt sowohl über Baranov als auch Sofia Voronova herzog, stimmte Leutnant Ermelov ihr lauthals zu, was den Mann betraf, aber schwieg, wenn Sofia Ziel ihrer Tiraden war, und untergrub auf diese Weise beharrlich Baranovs Führerschaft der Kolonie, denn was er seiner Frau sagte, erzählte er auch allen anderen, die es hören wollten: »Die Verwaltung einer Kolonie darf man nicht Krämern überlassen, ein Marineschiff besetzt man ja auch nicht mit Bauern. In dieser Welt sind Gentlemen gefragt.«
Als sich die »Muscovy« anschickte, Neu-Archangelsk zu verlassen und sich wieder auf die Rückfahrt zu machen, erreichten Schriftstücke die Insel, die Ermelov in seiner Grundhaltung bestätigten, denn in dem einen Dokument fand sich ein schwerer Verweis für Baranovs angebliche Nachlässigkeit gegenüber den Interessen der Handelsgesellschaft und für seine Säumigkeit, endlich Ordnung in sein riesiges Gebiet zu bringen, das sich von der Insel Attu im Westen bis nach Kanada im Osten erstreckte, mit dem anderen wurde Leutnant Ermelov davon unterrichtet, dass der Zar seine Beförderung zum Kapitänleutnant verfügt hatte.
Baranov, durch die Härte der Kritik
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