Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
Vom Netzwerk:
nicht siegen, wenn wir weiter versuchen, den Zaun zu beschießen«, rief Lisiansky seinen Männern zu, und nachdem Baranov Bericht erstattet worden war, beriet dieser sich mit seinem Kapitän, worauf die Richthöhe der Kanonen verändert wurde und danach Kugeln von fürchterlicher Größe und zerstörerischer Kraft unaufhörlich in das Innere der Festung fielen.
    Lisiansky sah zu, wie sie auftrafen, selten ging eine Kugel daneben, und er konnte Baranov versichern: »Dem werden sie nicht lange standhalten«, und der kleine dicke Kaufmann lachte in sich hinein.
     
    Während der ersten Tage der Belagerung war der Jubel in der Festung groß, denn ihre Verteidiger errangen drei bedeutende Siege: Der Zaun aus Pfählen hatte sich als unempfindlich gegen das Feuer der Russen erwiesen, sie hatten den ersten Angriff auf Land zurückgeschlagen und dem Feind dabei schwere Verluste zugefügt und, ohne Vergeltungsschlag, am Ufer ihren Spott mit den Russen getrieben, als sie die Leichen aufgespießt und dann in die Fluten geworfen hatten. »Wir können sie abwehren!« rief Kot-le-an im Moment der anfänglichen Erfolge.
    Als dann die Kanonade einsetzte und die Russen über den Zaun schossen, nahm das Kriegsglück jedoch eine dramatische Wende. Innerhalb der Palisade befanden sich etwa fünfzehn einzelne Gebäude, um die Hütte gruppiert, die Rabenherz und Kakeena einst angefangen hatten zu bauen, und auf diese Holzhäuser trafen nun die russischen Kanonenkugeln, zertrümmerten sie vollständig und töteten oder verwundeten die Bewohner. Die Zerstörung nahm kein Ende, man hörte Kinderschreie, dann erfolgte ein schrecklicher Moment, als drei Kugeln kurz hintereinander auf Rabenherz’ Haus niedergingen, Funken sprühten und ein Feuer auslösten, das schnell das gesamte Gebäude erfasste . Rabenherz packte beim Anblick der wütenden Flammen eine Vorahnung, er sah das Ende aller Dinge, die dem Volk der Tlingits etwas bedeuteten, denn dieses Haus war ein Symbol gewesen für seine Freilassung aus der Sklaverei und seine Aufnahme in den stärksten aller Stämme der Tlingits.
    Aber weder Kot-le-an noch Kakeena durften ihm seine Befürchtung ansehen, und so ging er zwischen den Verteidigern der Festung umher und sprach ihnen Worte der Ermutigung zu: »Sie werden aufhören. Sie werden sehen, dass sie uns nicht besiegen können, und sie werden verschwinden.« Auch am dritten Tag der Beschießung fand er noch ermunternde Worte, bis er plötzlich einen Schrei vernahm. Es war Kakeena, und da er dachte, eine Kugel hätte sie getroffen, lief er zu der Stelle, wo er sie zuletzt gesehen hatte, und als er hinkam, fand er sie wie versteinert dastehen, mit offenem Mund in den Himmel starrend. Unfähig zu sprechen, zeigte sie nach oben, und dann sah er, was ihren Aufschrei verursacht hatte: Eine Kugel der »Neva« hatte seinen Totempfahl in der Mitte getroffen und das Holz zerschmettert, die Spitze mit dem sorgfältig herausgeschnitzten Raben niedergerissen, einen gezackten Stumpf hinterlassend, noch hoch aufragend, aber für immer geköpft. Er dachte an die Legenden seines Volkes, an die Geister, daran, wieviel Mühe es ihn gekostet hatte, dies alles darzustellen, und war verzweifelt. Doch er gab seinen Kummer über den Verlust eines weiteren Teil des Lebens, das er geliebt und verteidigen zu können gehofft hatte, nicht zu erkennen. Die Beschießung dauerte an. Am sechsten Tag, als das Licht schon schwächer wurde, trat Kot-le-an vor Rabenherz mit einer Mitteilung, die er nicht aus seinem Mund erwartet hätte: »Treuer Freund, nimm die weiße Fahne und geh zu ihnen.«
    »Um was soll ich sie bitten?«
    »Frieden.«
    »Zu welchen Bedingungen?«
    »Zu ihren.«
    Als er auf das Tor zuging, durch das er die Botschaft der Kapitulation bringen sollte, schritt Kakeena neben ihm her, bis zum Strand, wo er den Russen, die sofort das Feuer einstellten, als sie die weiße Fahne erblickten, auf Englisch zurief: »Baranov, du hast gewonnen. Wir wollen verhandeln.«
    Die Antwort der Russen kam durch einen Schalltrichter: »Legt euch schlafen. Keine Beschießung mehr. Morgen kommen wir zurück.«
    Nach diesen Worten, die bedeuteten, dass die Belagerung zu Ende war, aber auch, dass sich die Hoffnungen der Tlingits, Sitka zurückzuerobern, zerschlagen hatten, begann Kakeena ein Wehklagen, das die russischen Zuhörer als einen Trauergesang über verlorene Hoffnungen deuteten; sie wären erstaunt gewesen, wenn sie die Worte verstanden hätten: »Weh mir, die Wasser

Weitere Kostenlose Bücher