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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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haben sich vom Ufer verzogen, und nur Steine bleiben mir. Aber wie die Steine werden wir fortdauern, und nach Jahren kehren wir wieder wie die Wellen und spülen die Russen davon.« Die feindlichen Soldaten hörten in der hereinbrechenden Dunkelheit, wie eine Stimme nach der anderen in den Gesang einfiel, bis die ganze Küste davon erfüllt war.
    Als Rabenherz in die Festung zurückkehrte, wurde er schweigend empfangen. Die Beschießung hatte aufgehört und mit ihr jede absichtliche Bewegung der Tlingits. Versteinert standen sie in Gruppen zusammen und überlegten, was als nächstes zu tun sei, und als Rabenherz von einer zur anderen ging, fand er nur Bestürzung und das Fehlen jeden Plans, wie sie sich nach der Übergabe verhalten sollten. Aber gegen Mitternacht übernahmen Kot-le-an und der Toion wieder das Kommando, und ihre Anweisung war knapp und hart: »Wir durchqueren die Berge und verlassen diese Insel für immer.« Als diese schicksalhaften Worte geflüstert die Runde machten, erfassten alle ihre schreckliche Bedeutung, denn die Insel Sitka zu durchqueren, egal, an welcher Stelle, war ein ungeheures Unterfangen: überall nur zerklüftete Berge und keine ausgetretenen Pfade. Die Tlingits hatten sich aber dennoch entschlossen zu fliehen, und die vier Stunden nach Mitternacht in der zerstörten Feste waren erfüllt mit stürmischer Betriebsamkeit.
    Nur Rabenherz und Kakeena hatten hier an diesem herrlichen Ort zwischen dem Lachsfluss und der Bucht auch gelebt, und nur sie wollten auch Erinnerungsstücke an ihn mitnehmen, er einen Splitter des Totempfahls, sie einen zerbrochenen Holzteller, aber alle, die sich schweren Herzens auf die Flucht vorbereiteten, behielten ihren majestätischen Berg, der eine Aussicht auf die gesamte Bucht bot, im Gedächtnis.
    Als alles bereit war und die Dämmerung anbrach, übernahmen zwei dazu auserwählte Gruppen eine besonders schmerzliche Pflicht: Sie durchkämmten die Feste und töteten alle Hunde, vor allem die, die sich an eine bestimmte Familie gebunden hatten, denn die Tiere auf die Reise mitzunehmen war unmöglich. Traurige Szenen spielten sich ab, Tiere, die vor Freude wild sprangen, als sie die Stimme eines Kindes vernahmen, wurden getötet, aber dieser Kummer war schnell vergessen, denn eine zweite Gruppe unter Kakeenas Führung ging jetzt durch die versammelte Menge und tötete alle Tlingitkinder unter zwei Jahren.
     
    Als sich am Morgen des 7. Oktober der Frühnebel aufgelöst hatte und die Herbstsonne hervorbrach, stellten sich die Matrosen der »Neva« und der drei anderen Schiffe hinter Kommodore Baranov am Strand auf und begannen ihren Triumphmarsch. Als sie sich jedoch der Festung näherten, sahen sie keinen Menschen und hörten kein Geräusch, sie traten dichter heran, worauf sich ein Schwarm Raben krächzend in die Luft hob, und ein abergläubischer Matrose murmelte: »Sie fressen die Toten.« Baranov spähte durch das schief hängende Tor, durch eine Kanonenkugel aus dem Zaun gerissen, und sah die Verwüstung, die herum liegenden toten Hunde und die Leichen der kleinen Kinder. Es war ein grässlicher Sieg, den er da errungen hatte, dessen Abscheulichkeit noch besonders hervorgehoben wurde, als plötzlich aus einem zertrümmerten Haus zwei alte Frauen hervortraten, die zu gebrechlich für die Flucht gewesen waren, und dort einen sechsjährigen Jungen mit einem verkrüppelten Bein hüteten. »Wo sind sie hin?« wollte Baranov von den beiden Alten wissen, die nach Norden zeigten, »Über die Berge?« fragte der Matrose, der übersetzt hatte, und sie antworteten: »Ja.«
    Unterdessen führten Kot-le-an, Rabenherz und der Toion, der sein Königreich für immer verloren hatte, ihr Volk durch das rauhe Land, durch riesige Fichtenwälder, jeder Stamm hochgewachsen und gerade wie eine Linie im Sand. Das Vorankommen war so schwierig, dass man am ersten Tag nur wenige Kilometer zurücklegte, und es würde qualvolle Wochen dauern, bis sie die nördliche Grenze der Insel Sitka erreichten. Wären sie angekommen, mussten sie die Flucht für den Bau von Kanus unterbrechen, um die Perilstraße zu überqueren, und sich dann auf der unwirtlichen Insel Chichagof, einem unendlich grausameren und lebensfeindlicheren Ort als Sitka, eine neue Heimat suchen.
    Als sie auf der anderen Seite der Meerenge die Berge ihrer neuen Heimat erblickten, weinten manche, denn sie wussten , dass sie einen schlechten Tausch machten. Doch Rabenherz, in seinem bewegten Leben schon einmal allen

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