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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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aus politischen Gründen, für seine Frau aus gesellschaftlichen: »Vladimir, ich kenne ein Dutzend fähiger junger Männer in Sankt Petersburg, die für einen Posten als Gouverneur in Frage kämen, und es ist mehr als ärgerlich, dass so ein Clown wie Baranov sie alle überflügelt haben soll.« In dem ersten Brief, den sie von Neu-Archangelsk aus nach Hause schrieb, gab sie ihrer Verärgerung lebhaften Ausdruck. Er war an ihre Mutter adressiert, Prinzessin Scherkanskaya, Tochter des Großfürsten und ein Mensch, der auf gesellschaftliche Feinheiten größten Wert legte:
    »Chere Maman,
    wir sind in Amerika angekommen, und ich kann unsere Erfahrungen, die wir auf dieser Reise gemacht haben, gut zusammenfassen, wenn ich Euch kurz berichte, was wir vorfanden, als wir an Land gingen. Vom Wasser aus erkannten wir die Insel, als wir den herrlichen Vulkan erblickten, der so sehr an die Abbildungen des Fudschijama in Japan erinnert, die wir zu Hause haben, und kurz nachdem wir diese Einfahrt passiert hatten, sahen wir auch den kleinen Berg, gekrönt von der östlichen Hauptstadt. Es ist ein verheißungsvoller Anblick, und wenn die Gebäude zweckdienlicher errichtet und angemessen ausgestattet wären, könnte man auch tatsächlich von einer Hauptstadt sprechen, aber leider, obwohl die Gegend nur aus Bergen besteht, gibt es keine Steine für den Hausbau. Womit behelfen sie sich also? Die niedrigen, frei wuchernden Gebäude, ohne auch nur ein Zeichen, dass ein Architekt oder ein Künstler bei der Planung beteiligt war, bestehen aus unbehandelten Holzplanken, roh zusammengesteckt und nicht einmal mit Farbe bestrichen. Das, was sie hier die Kathedrale nennen, darüber kann man nur lachen; ein derber, hässlicher , gestapelter Holzhaufen, auf der Spitze hockt eine ergötzliche Gestalt, die wohl eine Zwiebelkuppel darstellen soll, die so schön aussehen könnte, wenn sie handwerklich gut gearbeitet wäre, aber so armselig ist, weil die Teile einfach nicht zusammenpassen wollen.
    Diese › Kathedrale ‹ ist allerdings noch ein Kunstwerk, verglichen mit dem, was die Eingeborenen hier stolz ihr Schloss nennen. Auch dies wieder unbemalt, wild und im wahrsten Sinne des Wortes unvollendet, ist es lediglich eine Ansammlung von Schuppen, einer willkürlich an den nächsten geklebt und ohne die Möglichkeit, das Ganze später einmal zu verbessern. Unsere besten Architekten in Sankt Petersburg könnten da nichts mehr retten, es ist ein heilloses Durcheinander, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es im Laufe der Zeit, wenn dieses unkontrollierte Anbauen weitergeht, noch schlimmer wird.
    Gleichwohl muss ich gestehen, dass an klaren Tagen, und die gibt es gelegentlich, sonst allerdings nur Regen, Regen, Regen, dass an einem klaren Tag also die Landschaft um den Berg herum einfach herrlich anzuschauen ist. Wie die schönsten Gegenden, die wir in Italien sahen, denn wo man auch hinschaut, fallen die erstaunlich hohen Berge bis ins Meer, bilden eine Art steinigen, baumbedeckten Kokon, in dem Neu-Archangelsk ruht; dazu der Vulkan, der wie ein Wachposten dasteht, eine Szene, als hätte ein Meister sie entworfen.
    Stattdessen müssen wir uns mit Alexander Baranov herumschlagen, einem jämmerlichen Krämer, der sich fortwährend lächerlich macht, weil er versucht, ein Gentleman zu sein. Ich will Euch nur eins über diesen idiotischen, unfähigen Mann berichten. Als Volya und ich ihm vorgestellt wurden, wir hatten ihn vorher noch nicht gesehen, kam er auf uns zu und verbeugte sich leicht, wie es sich gehörte, ein kleiner, speckiger Kerl mit einem kleinen, runden Bauch und einem Anzug, den ihm wahrscheinlich irgendein Provinzschneider genäht hat, weil nicht zwei Teile zusammenpassen. Er trat also näher, und mir verschlug es fast den Atem, als Volya mir zuflüsterte, so laut, dass es die Umstehenden fast hören konnten: › Um Gottes willen, ist das etwa eine Perücke ? ‹
    Es war eine, und es war doch keine. Auf jeden Fall bestand sie aus Haaren, aber von welchem Tier, möchte ich lieber nicht versuchen zu erraten, so ein Haar habe ich mein Leben noch nicht gesehen, und ich bin mir sicher, dass es kein menschliches Haar war, es sei denn, es stammte von irgendeinem Wilden, den man enthauptet hatte. Offensichtlich war es auch als Perücke gedacht, denn es lag ja auf seinem Kopf, und der hat, wie ich später sah, eine Glatze. Aber es war auch nicht die Art Perücke, wie sie Gentlemen und hohe Beamte in Europa mit solcher Vornehmheit zu tragen

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