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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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geringste Chance, sich zu verteidigen, der erste Biss war tödlich; in seiner Qual jedoch stieß er einen so markerschütternden Todesschrei aus, dass die ganze Steppe widerhallte. Matriarch vernahm den Schrei, und ohne zu zögern, raste sie so schnell, wie es ihr plumper, haarbedeckter Körper gestattete, in die Richtung, aus der der Hilferuf ertönt war, direkt auf den Säbelzahntiger zu, der sich schon über sein totes Opfer beugte.
    Als sie ihn erblickte, wusste sie instinktiv, dass er ihr gefährlichster Feind in der Steppe war, und sie wusste auch, dass er die Kraft hatte, sie zu töten, aber ihr Zorn war so groß, dass er jeden Gedanken an Vorsicht unterdrückte. Das Tier hatte eines der jungen Mammuts angegriffen, für die sie verantwortlich war, und darauf gab es nur eine Antwort: den Angreifer wenn möglich zu vernichten, falls nicht, wenigstens ihr Leben im Kampf dafür herzugeben. In ihrer unbeholfenen Art lief sie also mit einem Wutgebrüll auf den Säbelzahntiger zu, der ihr leichtfüßig auswich. Zu seinem Erstaunen jedoch machte sie in ihrer Raserei so entschlossen kehrt, dass er sich von dem Kadaver, über den er gerade herfallen wollte, abwenden musste , und als er sich aufrichtete, den Stamm einer robusten Lärche im Rücken hatte. Matriarch, die die Stellung der Katze sofort erfasste , warf sich mit ihrem ganzen Gewicht nach vorne, in der Absicht, sie mit den Stoßzähnen aufzuspießen.
    Jetzt erwies sich ihr gebrochener rechter Stoßzahn eher als Vorteil denn als Behinderung, denn mit ihm durchbohrte sie den Säbelzahntiger nicht nur, sie quetschte ihn auch an den Baum, und als sie spürte, wie sich der schwere Zahn in den Brustkorb des Feindes bohrte, setzte sie ihm noch weiter zu, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was die Wildkatze ihr anzutun vermochte.
    Der Säbelzahntiger hatte sich an dem Baumstamm schwer verwundet, gewann aber trotz der gebrochenen Rippen auf der linken Körperseite wieder die Kontrolle über sich und versuchte, sich zu befreien. Doch bevor die Katze ihre verbliebenen Kräfte für einen Gegenangriff sammeln konnte, warf das Mammut sie mit dem gesunden linken Stoßzahn in den Staub zum Fuße des Baumes. Dann, mit einer ungeahnten Geschwindigkeit, gegen die das Raubtier nichts ausrichten konnte, hob sie ihren gewaltigen Fuß in die Höhe und trampelte den Brustkorb der Katze nieder.
    Wieder und wieder, die ganze Zeit trompetend, trat sie auf den mächtigen Feind, zersplitterte ihm auch die anderen Rippen und brach ihm sogar einen der langen, prächtigen Säbelzähne. Das Blut aus einer der Wunden spritzen sehend, wurde ihr Zorn unbändig, und ihre grellen Schreie wurden eher noch lauter, als sie den reglosen Körper ihres Enkelkindes unbeweglich im Gras liegen sah. Sie fuhr fort in ihrem irrsinnigen Getrampel, zertrümmerte den Körper des Säbelzahntigers, und als sich ihre Wut legte, brach sie wimmernd zwischen den beiden leblosen Körpern zusammen.
    Wie im Falle ihres eigenen zukünftigen Schicksals war sie sich auch hier nicht voll bewusst , was Tod bedeutete, aber der Tod verwirrt alle Elefantenarten und ihre Untergruppen, besonders wenn er einen Artgenossen trifft, mit dem sich der Trauernde verbunden fühlt. Der junge Bulle war tot, daran konnte es keinen Zweifel geben, und irgendwie ahnte Matriarch, dass das, was er mal hätte werden können, für immer verloren war. Er würde in den kommenden Sommern nicht mehr werben, er würde gegen keine alternden Bullen mehr kämpfen, um sich Autorität zu verschaffen, und mit Matriarchs Töchtern und Enkelinnen auch keine Nachfolger zeugen. Eine Kette war unterbrochen worden, und über einen Tag lang hielt sie Wache an seiner Leiche, als hoffte sie, sie wieder zum Leben zu erwecken. Am Abend des zweiten Tages verließ sie den Ort mit den Leichen, die ganze Zeit über hatte sie nicht einen Blick auf den Säbelzahntiger geworfen. Es war ihr Enkel, der von Bedeutung war, und dieser Enkel war tot.
     
    Matriarch kehrte zurück zu ihrer Familie und führte sie an eine der besten Stellen in Zentralalaska, um einen langen Winter zu verbringen. Es war ein abgeschlossenes Gebiet auf der Westseite eines Tals, das von zwei Strömen gespeist wurde, einem kleineren, der schnell zufror, und einem größeren, der die meiste Zeit des Winters über offene Wasserstellen hatte. Hier, geschützt selbst vor den schlimmsten Stürmen, blieb sie mit ihren Töchtern und Enkeln regungslos stehen, um keine Körperwärme zu verbrauchen

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