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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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sich zu wehren. Schreiend schleuderte sie ihre Körpermasse gegen die Ungeheuer, drosch mit ihrem gebrochenen Stoßzahn auf sie ein und trieb sie zurück.
    Vor Freude triumphierend, wollte sie gerade ihre verschreckte Enkelin aus dem Ring in Sicherheit bringen, als eines der komischen Wesen den Ruf »Varnak« ausstieß und ein anderes, etwas größer und gewichtiger, daraufhin vor das bedrohte Jungtier sprang, sich unter ihre gefährlichen Füße fallen ließ und mit einem Stoß nach oben eine scharfe Waffe tief in die Eingeweide drückte.
    Matriarch sah, dass ihre Enkeltochter nicht tödlich verwundet war, aber als die Mammuts davonstürmten, ihren Peinigern zu entkommen, konnte das Junge mit ihnen nicht Schritt halten. Die Herde verlangsamte ihr Tempo, und Matriarch stand ihrer Enkeltochter bei, und so gelang den riesigen Tieren die Flucht dennoch.
    Zu ihrem Entsetzen jedoch verfolgten die kleinen Gestalten auf zwei Beinen sie weiter, kamen immer näher und näher, und am dritten Tag, in einem unbewachten Moment, als Matriarch den anderen den Weg zu einer sicheren Stelle wies, kreisten die Ungeheuer ihre verletzte Enkeltochter ein. In der Absicht, die Eindringlinge ein für allemal zu zermalmen, lief Matriarch zurück, ihre Enkelin zu verteidigen, aber als sie sich mühte, die Angreifer einzuholen, um sie mit ihrem gebrochenen Zahn so zuzurichten, wie sie es mit dem Säbelzahntiger gemacht hatte, trat einer von ihnen, bewaffnet mit einem langen Holzstück und zusätzlich einem kurzen, an dessen Ende eine Flamme loderte, dreist zwischen den Bäumen hervor und drängte sie zurück. Das lange Stück Holz machte ihr nichts aus, obwohl es spitze Steine an einem Ende hatte, aber gegen das Feuer, das direkt in ihr Gesicht gehalten wurde, vermochte sie sich nicht zu wehren. Sosehr sie sich auch bemühte, an dieser glühenden Kohle kam sie nicht vorbei. Ohnmächtig musste si e z urückbleiben, Rauch und Feuer in ihren Augen, und zusehen , wie ihre Enkeltochter abgeschlachtet wurde.
    Mit lautem Gebrüll - wie das siegesgewisse Geheul von Wölfen, wenn sie ihr verletztes Opfer endlich erlegt hatten - tanzten und sprangen die Kreaturen um das getötete Mammut herum und fingen an, es zu zerlegen.
    In der Nacht, aus der Entfernung, sahen Matriarch und die Kinder, die ihr geblieben waren, noch einmal das Feuer, dieses geheimnisvolle Feuer, das brannte, ohne gleich die ganze Steppe zu erfassen - derart verwirrend, ja tragisch gestaltete sich für das Mammut, das in seiner Festung aus Eis so lange in Sicherheit gelebt hatte, die erste Begegnung mit dem Menschen.

3. Die Menschen des Nordens
    Neunundzwanzigtausend Jahre vor unserer Gegenwart - das heißt vor 1950, dem Jahr, als sich die Radiokarbonmethode als ein verlässliches System zur Datierung prähistorischer Ereignisse etablierte - grassierte in dem östlichen Landfortsatz Asiens, der später unter der Bezeichnung Sibirien Berühmtheit erlangte, eine furchtbare Hungersnot, und nirgendwo schlug sie grausamer zu als in einer kleinen, dem Sonnenaufgang zugewandten Lehmhütte. Dort, in einem großen Raum, der einen halben Meter tief in den Boden ausgeschachtet war, hockte eine Familie und wartete auf den bevorstehenden Winter. Sie hatten nur einen kleinen Essensvorrat und wenig Hoffnung, noch Nahrung aufzutreiben.
    Nicht, dass ihnen das Haus eine wirkliche Zuflucht bieten konnte, nur einen unzureichenden Schutz vor den heulenden Winterstürmen, die fast ständig durch das Bauwerk pfiffen, das nur aus lose zusammengesteckten, mit Lehm verklebten Ästen bestand. Die brüchige Hütte glich eigentlich eher einer Höhle, aber sie hatte etwas Lebenswichtiges zu bieten: In der Mitte gab es eine Feuerstelle, und hier brannten die feuchten Holzscheite, die jenen Rauch verursachten, der allem, was die Bewohner aßen, sein ganz bestimmtes Aroma verlieh und ihre Augen ein Leben lang reizte.
    Der Anführer jener fünfköpfigen Gruppe, die sich in der armseligen Behausung zusammenkauerte, als der Herbst seinem Ende zuging, war ein resoluter Mann namens Varnak, einer der fähigsten Jäger in Nurik. An seiner Seite stand Tevuk, seine Frau, vierundzwanzig Jahre alt und Mutter zweier Söhne, die schon bald ihren Vater auf der Jagd nach Tieren, von deren Fleisch sich die Familie ernährte, begleiten sollten. In diesem Jahr jedoch gab es nur noch so wenig Tiere, dass die Jüngeren in manchen Hütten anfingen, sich zuzuflüstern: »Vielleicht reicht die Nahrung nur für uns, vielleicht wird es Zeit

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