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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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Geschichte ihres Stammes, ja, der Menschheit, war erstaunlich genau. Menschliches Leben hat sich ursprünglich in heißen, feuchten Klimazonen entwickelt, in denen ein Überleben leichter fiel. Als es dann aber so viele Menschen gab, dass Streit um genügend Lebensraum unvermeidlich wurde - etwa nach einer Million Jahren -, begannen fähigere Menschengruppen nach Norden in gemäßigtere Zonen vorzudringen und erfanden dort, in dem ausgeglichenerem Klima, jene Mittel zur Bewirtschaftung, jahreszeitlich bedingten Ackerbau und Tierhaltung, die höhere Formen der Zivilisation ermöglichten.
    Zur Zeit der Urururgroßmutter der Altehrwürdigen, vielleicht auch noch weiter zurück, brachen erneut Rivalitäten um die bevorzugteren Plätze aus, aber diesmal waren die weniger Fähigen gezwungen zu weichen und überließen denjenigen, die sich am besten angepasst hatten, die milden Klimazonen. Das bedeutet, dass sich in der nördlichen Hemisphäre die subarktischen Gebiete mit Menschen füllten, die gewaltsam aus Landstrichen mit gleichmäßigerem Klima vertrieben worden waren. Es waren immer die südlicheren Länder, die Druck ausübten, und es endete immer damit, dass die Menschen am Rand, an den Grenzen, gezwungen wurden, in kalten und trockenen Gebieten, in denen sie sich kaum ernähren konnten, ihr Leben zu fristen.
    Aber es gab noch eine zweite Erklärung für diese Abwanderung in den Norden, und die Alte gab sie voller Stolz ihren Kindern weiter: »Es waren tapfere Männer und Frauen. Sie liebten das kalte Land und die Jagd auf Mammuts und Karibus. Sie wussten die langen Sommertage zu schätzen und hatten keine Angst vor der Nacht des Winters wie diese heute.« Indem sie jeden ihrer kleinen Zuhörer einzeln anschaute, versuchte sie, ihnen ein Gefühl des Stolzes auf die gemeinsamen Vorfahren einzuimpfen. »Mein Sohn ist so ein tapferer Mann, und auch Toorak, der das Bison erlegt hat, und auch ihr müsst tapfer sein, wenn ihr groß seid und draußen gegen das Mammut kämpft.«
    Was die alte Frau über die Männer sagte, die nach Norden zogen, traf zu. Sie begeisterten sich für den Walfang und ihre Zweikämpfe mit dem Walross . Sie machten Jagd auf die Robbe, deren Fell sie im arktischen Winter wärmte, und sie meisterten die Tücken von Schnee und Eis und plötzlichen Stürmen. Sie erfanden Methoden zur Bekämpfung der furchtbaren Moskitos, die jedes Frühjahr in Schwärmen angriffen, so dass sich die Sonne verfinsterte, und sie brachten ihren Söhnen bei, wie man Tiere wegen ihres Felles oder Fleisches aufspürte, denn das Leben sollte auch nach dem Tod der Väter weitergehen. »So sind die wahren Menschen des Nordens«, sagte die alte Frau, und sie hätte hinzufügen können, dass es auf der Erde nie eine abgehärtetere Rasse gegeben hat .
    »Ich will, dass auch ihr so werdet«, schloss sie ihre Erzählung, und eines der Mädchen fing an zu wimmern: »Ich habe Hunger«, worauf die Altehrwürdige ihrem aus Robbenfell gefertigten Überkleid, das sie im Winter trug, ein Stück getrockneten Specks entnahm, es zwischen die Kinder aufteilte und nichts für sich selbst übrigbehielt.
    Eines Tages, in der Zeit des Jahres, als es draußen im Dorf nie taghell wurde, hätte die alte Frau fast ihren Mut verloren, denn eines der Kinder, die sich in der dunklen Hütte versammelt hatten, um ihren Geschichten zu lauschen, fragte: »Warum kehren wir nicht zurück in den Süden, wo es was zu essen gibt?«, und sie musste in aller Offenheit antworten: »Die Alten haben diese Frage oft gestellt, und manchmal machten sie sic h selbst etwas vor und sagten: › Ja, nächstes Jahr gehen wir zurück ‹ , aber sie haben es nie ernst gemeint. Wir können nicht zurück. Ihr könnt nicht zurück. Ihr seid jetzt Menschen des Nordens,«
    Sie hatte das Leben im Norden nie als Strafe angesehen, und sie würde es auch nicht zulassen, dass ihr Sohn oder Enkel so darüber dächten, aber als sich die höllische Winterzeit langsam dem Ende zuneigte - die Tage wurden länger, aber die Kälte nahm zu, und das Eis wurde dicker wartete sie eines Abends, bis die Kinder eingeschlafen waren, und flüsterte dann ihrem vom Hunger geplagten Sohn und seiner Frau zu: »Noch so ein Winter, und wir werden alle umkommen.« Denn es gab noch immer nichts zu essen, sie kauten vor Hunger auf Fellstücken herum, was ihnen aber nur wenig Energie gab.
    »Wo sollen wir hin?« fragte ihr Sohn, und sie antwortete: »Mein Vater hat einmal vier Tage lang ein Mammut gejagt. Es

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