Alaska

befolgt waren, war es ihr vergönnt, in den Innereien nach dem Darm zu wühlen, der in einen kräftigen Faden zum Nähen umgearbeitet werden sollte.
    Ihr Sohn kratzte derweil die Fleischreste von dem rechten, mächtigen Schulterblatt, und als der Knochen, weiß wie Elfenbein, schließlich entblößt dalag, begann er, ihn mit einer Art Grabstichel aus Stein zu bearbeiten, mit der er kleine Knochensplitter herausschlug, bis er einen stabilen Schaber mit scharfen Schnittkanten in Händen hielt, den man dazu benutzen konnte, das Fleisch des Mammuts zu zerlegen, bevor es zu den anderen Vorräten an einen kühlen Ort gelegt wurde.
    Jeder aus der Gruppe der neun Erwachsenen war für einen bestimmten Teil des toten Mammuts verantwortlich: Einer sammelte die Knochen auf, die in den Häusern, die sie später einmal errichten würden, als Deckenverstrebungen dienen sollten, ein anderer reinigte das wertvolle Fell und gerbte es dann mit einer Mischung aus Urin und einer aus Baumrinde destillierten Säure, Die Beinhaare wurden zu einem Material gewoben, aus dem man Mützen herstellen konnte, und aus dem Knorpel, der Hufe und Beine miteinander verband, wurde eine Art Klebemasse gewonnen. Die Altehrwürdige untersuchte jedes einzelne Fleischstück, damit ihr auch nicht einer der kleinen, harten Knochen entging, die gute Nadeln abgaben, und ein Mann war damit beschäftigt, größere Knochen anzuspitzen, die dann vorne an die Speere gesteckt wurden.
    Während sie das tote Tier zerlegten, untersuchten sie bis ins kleinste seine Anatomie, zogen ihre Schlüsse daraus, versuchten vorherzusagen, wie es sich in unterschiedlichen Situationen verhalten würde, und kamen schließlich darin überein: »Die sicherste Methode, ein Mammut zu erlegen, ist die von Varnak: sich unter das Tier werfen und einen scharfen Speer in seinen Leib stoßen.«
    In dieser Überzeugung bestärkt, nahmen sie ihre Söhne beiseite und brachten ihnen bei, wie man den Speer hielt, mit beiden Händen, sich rücklings auf den Boden warf und ihn in den Bauch eines Mammuts stieß. Und sei es noch so ungeheuerlich: Vertrauen in die großen Geister beschütze sie vor Fußtritten. Nachdem sie ihr Wissen an die Jungen weitergegeben, ihnen gezeigt hatten, wie man sich fallen ließ und trotzdem die Beherrschung über den Speer dabei nicht verlor, gab Varnak einem der Jäger ein Zeichen, und als der älteste Junge an der Reihe war, nach vorne rannte und sich mit dem Gesicht nach oben auf den Boden warf, sprang der Jäger, in das Fell eines Mammuts gehüllt, plötzlich aus der Luft, stieß einen furchterregenden Schrei aus und stampfte seinen Fuß nur wenige Zentimeter neben dem Kopf des Jungen auf den Boden. Den jungen Burschen hatte dieser unerwartete Ausbruch so erschreckt, dass er den Speer aus den Händen fallen ließ und sein Gesicht bedeckte.
    »Du bist tot!« schrie der Jäger den sich duckenden Jungen an, aber Varnaks Urteil angesichts solcher Feigheit war noch härter: »Du hast das Mammut entkommen lassen. Wir werden verhungern.«
    Der Verängstigte erhielt seinen Speer zurück, warf sich zwanzigmal auf die Erde, mit dem Gesicht nach oben, Varnak und die anderen stürmten jedesmal auf ihn los, stampften mit den Füßen dicht neben seinem Kopf auf und erinnerten ihn nach jedem Versuch: »Du hast die Möglichkeit gehabt, das Mammut mit deinem Speer zu treffen. Wenn es ein Bulle gewesen wäre, hätte er dich vielleicht getötet, aber in seinem Bauch hätte dein Speer gesteckt, und wir hätten das Tier verfolgen und zur Strecke bringen können.« Sie machten so lange weiter, bis der Junge das Gefühl hatte, dass es ihm beim Zusammentreffen mit einem wirklichen Mammut gelingen würde, dem Tier eine schwere Wunde zuzufügen, damit die anderen es später leichter erlegen konnten, und als die Übung beendet war, beglückwünschte Varnak ihn: »Ich glaube, du weißt nun, was du zu tun hast«, und der Junge lächelte dankbar.
    Dann wandten sich die Männer dem Zweitältesten zu, einem Jungen von neun Jahren, aber als sie ihm einen Speer in die Hand drückten und ihm bedeuteten, er solle sich unter das rasende Mammut werfen, fiel er in Ohnmacht.
    An ihrem neuen Lagerplatz in der Nähe des Birkenwäldchens entluden die Chukchis ihre spärlichen Güter und schickten sich an, ihre eher groben Unterstände zu errichten, und da sie in einer Situation waren, in der sie wieder von vorne anfingen, hätten sie eigentlich die Gelegenheit gehabt, ihre Lebensverhältnisse zu verbessern, was