Alaska
und die Mütter hielten ihre hungrigen Kinder und versuchten, sie zu trösten. Es war die Wärme des Frühlings, die sie den kritischen Tag überleben ließ. Varnak und ein zweiter aus der Gruppe waren, all ihren Mut zusammennehmend und die letzten Fettreserven aus besseren Tagen mobilisierend, vorausgeeilt, und als sie am Spätnachmittag des vierten Tages zurückkehrten, konnten sie die freudige Nachricht verkünden, dass sie nach einem Tagesmarsch auf fruchtbares Land stoßen würden. Am Abend, bevor die Sonne unterging, verteilte Varnak die letzten Vorräte. Jeder aß langsam, kaute so lange, bis die Zähne nichts mehr zu beißen hatten, und kostete jedes Krümelchen, bevor es runtergeschluckt wurde. Wenn sie in den nächsten Tagen kein Tier erlegten, würden sie zugrunde gehen.
Am Nachmittag des sechsten Tages tauchte vor ihnen plötzlich ein Fluss auf, an dessen Ufern zu Varnaks Beruhigung Sträucher wuchsen, und sofort verkündete er: »Hier werden wir unser Lager aufschlagen«, denn er wusste , wenn sie an einer so vielversprechenden Stelle wie dieser nichts zu essen fanden, gab es keine Hoffnung mehr für sie. Die Schlitten wurden aufgestellt, die Jäger spannten eine Art niedriges Zelt darüber und setzten die Frauen und Kinder davon in Kenntnis, dass dies einstweilen ihr Zuhause sein sollte. Und um ihre Entscheidung, nicht weiterzumarschieren, bis sie etwas zu essen gefunden hatten, zu bekräftigen, bereiteten sie ein kleines Feuer, das die aufdringlichen Moskitos vertreiben sollte.
In den frühen Abendstunden desselben Tages erspähten die Jüngsten aus der Reihe der erwachsenen Männer eine Mammutfamilie, die in östlicher Richtung am Flussufer weidete, ein Muttertier, deren rechter Stoßzahn gebrochen war, zwei jüngere Weibchen und drei kleine Jungtiere. Sie liefen nicht fort, und auch als Varnak und noch fünf andere Chukchis näher kamen, um sie besser sehen zu können, blieben die Tiere einfach stehen, starrten sie an und fuhren dann fort zu grasen.
Nachdem die Jäger Matriarchs Enkeltochter geschlachtet und zerlegt hatten, trafen sie traditionsgemäß eine Entscheidung. Anstatt die Fleischmassen, die Knochen und das Fell an den Ort zu schleppen, wo ihre Familien auf sie warteten, schlugen sie ihr Lager gleich in der Nähe des Birkenwäldchens auf. Die beiden jüngsten Männer wurden losgeschickt, die Frauen, die Kinder und die Schlitten zu holen.
Der Umzug ging reibungslos vonstatten, denn die Frauen waren so ausgehungert, dass sie am liebsten sofort losgerannt wären, als sie von der Beute hörten, die die Männer gemacht hatten, und als diese erklärten, dass das ganze Lager abgebrochen werden sollte, war das zeltartige Dach schnell abgebaut und waren die vier Schlitten in Windeseile bepackt. Als die Frauen und Kinder dann später das erlegte Mammut sahen, brachen sie in Freudenschreie aus und liefen, die Schlitten einfach stehenlassend, auf das Feuer zu, in dem ihre Fleischportionen schon schmorten.
Ein Trupp Jäger, wie der Varnaks, erlegte im Jahr nur ein einziges Mammut, nur mit viel Glück oder wenn die Männer einen besonders geschickten Anführer hatten, konnten sie damit rechnen, zwei dieser Tiere zu töten. Dieses Jagdglück war ein so seltenes Ereignis, dass im Laufe der Jahrhunderte bestimmte Rituale für den Umgang mit Kadavern entstanden waren. Die Altehrwürdige, als Wächterin über das geistige Wohlergehen ihres Stammes, stellte sich neben das abgetrennte Haupt des Tieres und stimmte einen feierlichen Gesang an:
»O edles Mammut, du teilst die Tundra mit uns, du herrschst über die Steppe und lässt die Wasser fließen, wir danken dir für das Geschenk deines Körpers, Wir bitten dich um Verzeihung, dass wir dein Leben genommen haben, und wir hoffen inständig, dass du viele Kinder hinterlässt , die auf uns zukommen werden. Aus Respekt vor dir stimmen wir dieses Gebet an.«
Während sie noch sprach, tauchte sie die Finger ihrer rechten Hand in das Blut des Mammuts und legte sie dann auf die Lippen aller Frauen und Kinder, bis sie tiefrot gefärbt waren. Im Namen der vier Jäger, von denen die weitere Existenz ihres Volkes abhing, strich sie dann ihre blutigen Hände über die Stirn des toten Tieres und dann über die der Männer, das Tier flehentlich darum bittend, es möge den wackeren Männern ein tieferes Wissen über das Leben seiner Artgenossen eingeben, auf dass die Jagd auf Mammuts in Zukunft noch erfolgreicher verlaufen möge. Erst wenn diese geheiligten Riten
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