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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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keine Seltenheit war, Ein Sturm zog auf, und der Kajak begann heftig zu schaukeln und sich zu drehen, als er in tiefe Wellenschluchten hinabgestürzt und kurz darauf in schwindelerregende Höhen getragen wurde. Die Männer mussten wie wild paddeln, damit ihr kleines Boot nicht kenterte, und genau in dem Augenblick, als der stechende Schmerz in den Armen kaum noch auszuhalten war, ertönte Oogruks Ruf »Über!« durch den heulenden Wind, und in perfektem Rhythmus wechselten sie die Seiten und hielten die Vorwärtsrichtung bei.
    Nukleet, die spürte, wie der Kajak auf dem Wasser hüpfte und tanzte, presste ihr Kind noch fester an sich, aber das kleine Mädchen gab keinen Laut von sich und zeigte auch keine Angst, obwohl die Dunkelheit und die aufgewühlte See sie erschreckten. Nur daran, dass sie sich noch fester als vorher an den Arm ihrer Mutter klammerte, war zu erkennen, dass auch sie besorgt war.
    Dann plötzlich, als eine Riesenwelle aus der Dunkelheit auf sie zukam, rief der Häuptling: »Rolle!«, und der Kajak wurde gekippt, tief zur Seite übergerollt und versank gänzlich unter der großen Welle.
    Wenn ein Kajak umkippte, diese Regel war jahrhundertealt, galt es, mit einem kräftigen Schlag des Paddels und einem energischen Ruck des Oberkörpers zu versuchen, die ursprüngliche Kipprichtung des Kajaks aufzunehmen und weiterzuführen, und auch jetzt, in dem dunklen eisigen Wasser, gehorchten die beiden Männer dieser überlieferten Tradition, drückten das Paddel mit äußerster Kraft gegen das Wasser und warfen sich mit ihrem ganzen Gewicht in die eine Richtung, die Drehung des Kajaks zu vollenden. Nukleet tat automatisch genau dasselbe, seit ihrer Kindheit hatte sie diese Regel verinnerlicht, und sogar ihre kleine Tochter schien zu spüren, dass die Rettung nur möglich war, wenn sie alles unternahmen, den Kajak noch einmal zu kippen; und indem sie sich noch fester an die Mutter klammerte, half auch sie dabei mit, die Drehung zu vollführen.
    Als der Kajak den tiefsten Punkt der Drehung erreicht hatte, seine Passagiere kopfüber in dem finsteren Wasser, bewährte sich das Wunderwerk seiner Konstruktion. Das Seehundfell, für solche Zwecke hervorragend geeignet, hielt Wasser ab und ließ von innen keine Luft heraus, und nur unter diesen günstigen Bedingungen konnte das kleine, leichte Boot die Drehung vollführen, gegen die ungeheure Gewalt des Sturms ankommen und sich, fast von selbst, wieder aufrichten. Als die Insassen sich das Wasser aus den Augen rieben und im Osten das Licht des neuen Tages erblickten, sichteten sie auch Land, und als die Wellen abklangen und wieder Ruhe auf dem Wasser einkehrte, paddelten die Männer schweigend weiter.
    Noch vor Mittag legten sie an. Sie wussten nicht, ob das Dorf, das sie einst besucht hatten, im Norden oder im Süden lag, aber waren zuversichtlich, dass sie es bald finden würden. Als die beiden Männer den Kajak bei holten, unterbrach Nukleet sie für einen Moment, langte in das Innere des Bootes und zog ein Reservepaddel hervor, das sie heimlich mitgenommen hatte. Zwischen den beiden Männern stehend, das Paddel aufrecht haltend, gegen den klaren Morgenhimmel gestreckt, sagte sie: »Wir haben es nicht benötigt. Ihr wusstet , was zu tun war.« Sie umarmte beide, zuerst ihren Vater, aus tiefem Respekt davor, was er in dem alten Land für sie getan hatte und auch in dem neuen für sie tun würde, dann ihren mutigen, aufmerksamen Mann, aus dem tiefen Gefühl der Liebe, die sie ihm entgegenbrachte.
    So kamen die dunklen, rundgesichtigen Eskimos nach Alaska.
     
    Vor zwölftausend Jahren - und damit wird die Chronologie ein ganzes Stück genauer, denn Archäologen haben exakt datierbare Geräte und Werkzeuge ausgegraben und Grundrisse von Steinhäusern und sogar lang verschüttete Überreste von ganzen Dörfern freigelegt - lebte ein Eskimostamm, der sich von anderen dieser erstaunlichen Menschenrasse unterschied, zerstreut über mehrere Siedlungen nahe der nach Alaska hin gewandten Seite der Landbrücke. Das, was den eigentlichen Unterschied ausmachte, darüber gibt es bislang noch keine gesicherte Erkenntnis, sie hatten sich auf die gleiche Weise an das Leben in einer der kältesten Klimazonen angepasst und waren ebenso geschickt, in mancher Hinsicht sogar geschickter in der Jagd und konnten sich gut von den Tieren, die es an Land gab und die sie in den nahen Gewässern fanden, ernähren.
    Sie waren etwas kleiner als die anderen Eskimos und von dunklerer Hautfarbe,

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