Alaska
Wochen lang auf der Schiffswerft umsah, dann war er auf einmal verschwunden. »Er wurde nach Moskau bestellt, um sich mit Männern von der Akademie zu besprechen, die dort lehren«, erfuhr Zhdanko von einem Arbeiter. »Diesen Knaben aus Frankreich und Deutschland, die alles wissen, aber nicht mal ihre eigene Krawatte binden können. Wenn er auf die hört, ist er verloren.«
Zwei Tage vor Weihnachten, eine Unterbrechung, die Zhdanko genoss, kehrte Kapitän Bering nach Sankt Petersburg zurück und wurde zu einer Besprechung mit dem Zaren zitiert, zu der auch Zhdanko geladen war. Als der Kosake den Konferenzraum des Palastes betrat, platzte er heraus: »Sire, Ihr habt zu viel gearbeitet. Ihr seht nicht gut aus.«
Peter überhörte diese Bemerkung, wies den beiden Männern ihre Plätze zu, und nachdem sich eine feierliche Stille über den Raum gelegt hatte, sagte er: »Vitus Bering, hiermit ernenne ich Sie zum Ersten Kapitän, denn ich will Sie mit der Durchführung der grandiosen Mission, über die wir im vergangenen Sommer gesprochen haben, beauftragen.« Bering fing an, seine ernsthaften Bedenken noch einmal vorzutragen, dass er diese Auszeichnung nicht verdiene, aber Peter, der jetzt häufig kränkelte, nachdem er kürzlich in das eisige Wasser der Ostsee gesprungen war, um einen Matrosen vor dem Ertrinken zu retten, und der befürchtete, dass der Tod seinem großen Plan abrupt ein Ende setzen könnte, fegte alle Einwände beiseite: »Doch, Sie durchqueren das Land bis an die Ostgrenze unseres Reiches, an der Küste bauen Sie sich Schiffe und starten dann die Forschungsreise, von der wir gesprochen haben. Ich werde Ihnen unsere fähigsten Männer mitgeben - und als Ihren Berater diesen Kosaken hier, der sich in dem Gebiet auskennt, Trofim Zhdanko. Er genießt meine persönliche Anerkennung. Ein erprobter Mann.«
Mit diesen Worten erhob sich der Zar, ein Stück weiter stand der Kosake und zwischen diesen beiden Riesen der kleine pummelige Bering, ein Hügel zwischen zwei Berggipfeln.
Einen Monat später, noch bevor er sich zu den konkreten Zielen der Expedition äußern konnte, war Zar Peter, mit dem angemessenen Beinamen der Große, tot. Die Regierungsgeschäfte Russlands fielen an seine Witwe, Katharina die Erste, eine außergewöhnliche Frau, Kind einer litauischen Bauernfamilie, jung verwaist und mit achtzehn Jahren an einen schwedischen Dragoner verheiratet, der sie nach nur einer Flitterwoche, acht langen Sommertagen, im Stich gelassen hatte. Mätresse verschiedener wohlsituierter Männer, war sie in die Hände eines mächtigen Regierungsbeamten geraten, der sie Peter vorgestellt hatte, und als sie diesem drei Kinder gebar, nahm er sie schließlich zur Frau. Sie war ihm eine tapfere und treue Gefährtin und hatte jetzt, nach dem Tod ihres Mannes, nur den einen Wunsch, die Vorhaben durchzuführen, die er unerledigt gelassen hatte. Am 5. Februar 1725 überreichte sie Bering die Ernennungsurkunde für die Position, die er während der Expedition einnehmen sollte, Flottenkapitän, sowie seine Order.
Letztere war ein einziges Wirrwarr, insgesamt drei Paragraphen, die noch von Zar Peter selbst kurz vor seinem Tod aufgesetzt worden waren, und auch wenn die Instruktionen über die Durchquerung Russlands und den Bau der Schiffe eindeutig waren, wozu die Schiffe verwendet werden sollten, waren sie erst einmal gebaut, war höchst unklar. Die Admirale legten die Befehle so aus, dass Bering feststellen sollte, ob das östliche Asien mit Nordamerika verbunden war; andere, Trofim Zhdanko zum Beispiel, der mit Peter persönlich über den Plan gesprochen hatte, glaubten, der Zar habe eher an eine Erkundung der Küste Amerikas gedacht, mit der Möglichkeit, jenes unbewohnte Gebiet für Russland zu okkupieren. Beide Seiten jedoch stimmten darin überein, dass Bering dort nach europäischen Ansiedlungen suchen und europäische Schiffe anhalten sollte, um die Besatzungen zu befragen. Kein bedeutender Forscher, und Vitus Bering war ein solcher, hatte sich jemals mit so unpräzisen Anweisungen seiner Gönner, die das Unternehmen finanzierten, auf die Reise begeben. Zar Peter hatte sicher sehr genau gewusst, was er wollte, seine Nachfolger wussten es nicht.
Die Entfernung von Sankt Petersburg bis zur Ostküste von Kamtschatka, wo die Schiffe gebaut werden sollten, betrug 9.500 Kilometer, und wenn man die unweigerlichen Umwege noch mitrechnet, weit über 10.000. Straßen waren gefährlich oder gar nicht vorhanden. Flüsse
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