Alaska
Frauen auf Attu verliefen traditionell unkompliziert, so dass kein wirklicher Zorn ausbrach, wie es anderswo der Fall gewesen wäre. Was allerdings die Gemüter erregte, war, dass Innokenti unentwegt darauf bestand, dass die Männer in See stechen sollten, wenn Instinkt und langjährige Erfahrung sie mahnten, an Land zu bleiben. Sie widersetzten sich dieser radikalen Umwandlung ihrer Lebensgewohnheiten, als aber Innokenti eines Tages bei klarem Wetter von Ilchuk und vieren seiner Männer gebieterisch verlangte hinauszufahren, kam es zu einem Tumult, der jedoch sofort endete, als Innokenti sein Gewehr hervorholte und den Männern gestikulierend befahl: »Ihr geht los, oder ich schieße.«
Murrend gingen sie los, noch in den Himmel zeigend, als wollten sie sagen: »Wir haben euch gewarnt!« Und kaum waren sie auf See, blies von Asien her ein heftiger Windsturm, eisige Regenwände flach über das Meer treibend, und vernichtete zwei der Kajaks, so dass ihre Insassen jämmerlich ertranken. Unter Ilchuks Führung gelang es, die beiden übrigen Boote sicher an Land zu steuern, wo er Innokenti wütend Vorhaltungen machte. Der stand ein paar Minuten lang nur schweigend da, doch als noch andere Männer aus Attu in die Anschuldigungen einfielen, ihn von drei Seiten einkreisten, verlor er die Fassung, legte sein Gewehr an und erschoss einen der Protestierenden. Ilchuk, als er den Mann zu Boden fallen sah und erkannte, dass er tödlich getroffen war, setzte gerade an, auf Innokenti loszugehen, da packten ihn zwei Sibirier, warfen ihn zu Boden und traten mit ihren Füßen gegen seinen Kopf.
Trofim hörte den Schuss, lief von dem Haus herüber, das er sich gerade aus Treibholz zusammenbaute, und sorgte allein schon durch seine Größe und Autorität für Ordnung, und beendete, was sonst in einen Aufstand ausgeartet wäre, in dessen Verlauf die Eindringlinge sämtlich getötet worden wären. Allerdings sollte es das letzte Mal sein, dass Zhdanko Autorität über seine Männer ausübte, denn als er rief: »Wer hat das getan?«, trat Innokenti hervor und antwortete: »Ich. Sie sind auf mich losgegangen«, und als die anderen seine schamlose Lüge deckten, da wurde Zhdanko klar, dass die Führung an Innokenti übergegangen war. Mit müder Stimme sagte er: »Der Krieg ist erklärt. Jeder ist für seinen Schutz selbst verantwortlich«, aber es war der Junge, der genauere Anweisungen gab: »Bringt das Boot näher an die Küste, damit wir es von unserer Hütte aus sehen können. Jeder schläft bei uns, nicht bei seiner Eingeborenen.«
Der Mann, der sich Ilchuks Schwester als Bettgenossin gewählt hatte, hielt sich nicht an diesen Befehl. Zwei Tage später, als sich der Winterdunst lichtete, fand man ihn morgens am Strand, sein Körper bedeckt mit Stichwunden.
Jetzt nahm der Kampf immer hässlichere Züge an, er wurde zu einer düsteren Angelegenheit, voll dunkler Schatten und mit überraschenden Vergeltungsschlägen. Mit nur noch zwölf Männern, ihn eingeschlossen, versuchte Trofim, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen, und schloss Frieden mit den zahlenmäßig überlegenen Eingeborenen, und es wäre ihm wohl auch gelungen, wenn nicht etwas Böses dazwischengekommen wäre. Als sich Ilchuk, einer der Klügeren unter den Inselbewohnern, der diese traurige Entwicklung beklagte, zusammen mit zwei ihm treuen Fischern zu Trofim begab, um eine Art Waffenruhe auszuhandeln, versteckte sich Innokenti mit vier seiner Gefolgsleute in der Nähe, ließ die anderen dicht herankommen, gab dann ein Signal, worauf die Russen ihre Gewehre anlegten und die drei zum Frieden Bereiten erschossen. Am Tag darauf beschuldigte eine der Frauen Innokenti, ihren Bruder aus dem Hinterhalt heraus ermordet zu haben, worauf er auch sie umbrachte.
Vergeblich versuchte Trofim, dem Morden Einhalt zu gebieten, als jedoch in schneller Folge sechs weitere Inselbewohner erschlagen wurden, musste man sich eingestehen, dass eine neue Ordnung in Attu Einzug gehalten hatte. Mit Beginn des Frühjahrs, als die Jagd auf Seeotter erleichtert wurde, bestimmten Innokenti und seine Gruppe das Leben auf der Insel so rigoros, dass regelmäßig Kajaks ausgeschickt wurden, die Felle einzuholen, nach denen die Händler verlangten. Schwierig zu erklären, wie es diesen elf - fünf Sibiriern, drei Verbrechern aus Russland, zwei aus anderen Gebieten des Reiches und dem jungen Innokenti - gelang, Herrschaft über die Bevölkerung einer ganzen Insel auszuüben, aber sie hatten Erfolg.
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