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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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Rücken schwimmend, hielt auf dem Bauch ein Junges, das sich fest an die Mutter schmiegte. Beide schienen sich an den vorbeiziehenden Wolken zu erfreuen. Trofim war sich noch nicht ganz sicher, ob es sich tatsächlich um Seeotter handelte, er wusste nur mit Bestimmtheit, dass es keine Seehunde waren. Er ging nach hinten, übernahm die Ruderpinne und steuerte auf das schwimmende Paar zu.
    Nicht ahnend, was ein Boot bedeutete oder ein Mensch, aalte sich das Muttertier weiter im Wasser, als die Jäger näher kamen, und sogar noch, als Innokenti sein Gewehr anlegte und zielte, versuchte es nicht wegzuschwimmen. Es gab einen lauten Knall, das Tier spürte einen schneidenden Schmerz in der Brust und sank dann auf den tiefen Grund der Beringsee, tot und für keinen mehr von Nutzen. Das Junge erhielt einen schweren Schlag mit dem Paddel und versank ebenfalls in der Tiefe. Von zehn Seeottern, die in den Jahren darauf durch rücksichtslose Jäger getötet wurden, weil sie zu früh abfeuerten, gingen sieben verloren und sanken auf den Meeresboden. Mit Innokentis erstem Gewehrschuss hatte die Ausrottung begonnen.
    Er war nicht gerade bei bester Laune, immerhin war durch ihn ein Tier verlorengegangen, und er freute sich auch nicht, als Attu, die einsame Insel, langsam vor ihnen aus dem Nebel auftauchte.
    Es war die nordwestliche Spitze der Insel, und einen ganzen Tag verbrachten sie damit, die Nordküste abzusegeln, und stießen auf nichts als abschreckende Klippen und die leblose Starre von Flächen, die wie kahle Felder aussahen, kein einziger Baum oder Strauch waren zu sehen. Sie passierten die Öffnung zu einer Bucht, aber die Felsen stiegen so steil an, dass jeder Versuch anzulegen töricht gewesen wäre. Als sich Innokenti abends sein Lager bereitete, stellte er missmutig fest: »Attu ist ein einziger Gesteinsbrocken.«
    Am nächsten Morgen gingen sie mutig den Ostteil der Insel an, wo sie eine flache Landspitze fanden, eine weite Bucht mit einladendem Sandstrand und dahinter ausgedehnte Wiesen. Voller Tatendrang landeten sie und gingen los, das Innere der, wie sie vermuteten, unbewohnten Insel zu erkunden. Sie waren erst ein kleines Stück weit gegangen, da breitete sich vor ihnen die Traumlandschaft von Attu aus: Wohin sie auch kamen, überall begegneten sie einem Blumenreichtum, einem Schatz strahlendheller Blüten üppigster Mannigfaltigkeit: Tausendschön, Rotflammen, Lupinen in allen Farben, Frauenschuh, Disteln und zwei Arten, die besonderes Erstaunen hervorriefen: eine purpurrote Schwertlilie und graugrüne Orchideen.
    »Was für ein Garten!« rief Trofim aus, aber Innokenti, der sich von den anderen abgewendet hatte, schrie plötzlich: »Seht doch!« Und vom anderen Ende der Wiese, auf sie zu, schritt eine Prozession Eingeborener, jeder mit der für ihre Insel typischen Hutbekleidung, vorne ein langes Visier, hinten hochragend und in die Krone Blumen und Federn gesteckt. Sie hatten nie zuvor Weiße gesehen und keiner der Eindringlinge, außer Zhdanko, jemals Inselbewohner, die Neugier auf beiden Seiten war entsprechend hoch.
    »Sie sind freundlich«, versicherte Zhdanko seinen Männern, »solange man sich ebenso verhält«, aber es war nicht leicht, sie davon zu überzeugen, denn jeder Eingeborene hatte quer durch das Nasenbein einen langen Knochen gesteckt und in die Unterlippe ein oder sogar zwei Pflöcke, die ihnen ein so grimmiges Aussehen verliehen, dass Innokenti den Befehl zum Schießen gab.
    Trofim widerrief den Befehl, indem er einen Schritt auf sie zumachte, in den ausgestreckten Händen eine Auswahl wertloser Perlen haltend, und als die Inselbewohner ihre schimmernde Schönheit sahen, flüsterten sie untereinander, und schließlich wandte sich jemand an Zhdanko und bot ihm ein Stück geschnitztes Elfenbein an. So begann die rücksichtslose Ausbeutung der Aleuten ihren Lauf zu nehmen.
    Die ersten Beziehungen waren freundschaftlicher Art. Die Inselbewohner waren gesittet und friedlich, ziemlich kleine Menschen mit dunklen, orientalisch aussehenden Gesichtszügen. Sie hätten auch aus dem nördlichen Sibirien stammen können, wären sie nicht barfuß gelaufen, hätten sie nicht Kleidung aus Seehundfellen getragen und ihr Gesicht bemalt. Ihre Sprache besaß keinerlei Ähnlichkeit mit irgendeiner, die den Männern aus dem Boot bekannt war, aber mit ihrem breiten Lachen hießen sie die Neuankömmlinge willkommen.
    Aber als Zhdanko und seine Mannschaft zu einer der Hütten gingen, in denen die Inselbewohner

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