Alba und Albion
erschöpft, um noch auf das Fleisch zu warten, schlief Alisa in meinem Schoß ein. Wieder gab es Hase, doch ich hatte keinen Appetit. Als ich dann sah, wie beim Zerlegen das Blut aus dem kleinen Körper floss, stand ich hastig auf und übergab mich hinter einem der Bäume.
„Du mußt was essen. Du mußt bei Kräften bleiben.“ Eindringlich redete Robbie auf mich ein und hielt mir ein besonders großes Stück des Hasen hin. Doch ich schüttelte den Kopf.
„Ich kann nicht“, sagte ich und würgte wieder.
„Dann trink wenigstens einen Schluck Branntwein.“ Er hielt mir die geöffnete Flasche vor die Nase. „Es wird dir gut tun.“
Doch der Geruch des Getränks brachte meinen Magen zum Rebellieren. „Nein. Danke.“
„Na gut. Ich lege dir das Fleisch hier hin. Versuch es. Bitte.“ Er wandte mir wieder den Rücken zu und sprach leise mit Seamus in seiner Sprache.
Ich war verletzt.
Zuerst der schreckliche Vorfall im Stall und nun die abweisende Art von Robbie. Eine große Trauer übermannte mich und mein Herz.
„Jetzt habe ich ihn verloren“, murmelte ich. Das war der einzig klare Gedanke, den ich momentan fassen konnte. Dabei konnte ich doch nichts dafür! Er, der Peiniger, hat es mit Gewalt getan! Es ist nichts passiert, wollte ich ihm ins Gesicht schreien.
Aber ich schwieg, nahm das Fleisch und biß ohne Hunger hinein.
Bedächtig legte Robbie noch einiges Holz in das Feuer. Ich spürte, daß er etwas fragen wollte, doch er schwieg ebenfalls und drehte an den Holzstücken, dass die Funken sprühten. Er war genauso befangen wie ich.
Alisa erwachte und lehnte dösend an einem Baumstamm, Seamus saß abseits in gewissem Abstand zu uns und drehte uns dezent den Rücken zu. An seinen Handbewegungen konnte ich erkennen, wie er wieder etwas schnitzte.
„Wahrscheinlich wieder ein kleines Tier“, dachte ich bei diesem Anblick und ohne Emotionen. Einem Außenstehenden wäre dieser Anblick sehr harmonisch und familiär vorgekommen, doch in Wirklichkeit war die Spannung greifbar, die uns umgab.
Seufzend setzte ich mich in eine andere Position und zog den Umhang enger. Robbie drehte leicht den Kopf zu mir, blickte dann jedoch wieder weg. Das hielt ich einfach nicht aus und zog ihn am Ärmel.
„Was willst du wissen?”, raunte ich.
Erstaunt blickte er hoch. „Nichts.“
Seamus stand auf, hob die nun wieder schlafende Alisa in die Arme und verschwand mit ihr im dichten Wald. Beide blickten wir ihnen nach.
„Bitte!“ Flehend legte ich meine Finger auf seinen Arm. „Rede mit mir!“
Es war ein Hilferuf und ich hoffte, er verstand, auch wenn ich flüsterte.
Er setzte an zu sprechen, ließ es aber dann bleiben. Erneut stocherte er im Feuer herum.
„Bitte, Robbie.“ Ich zog meine Hand zurück, meine Augen füllten sich mit Tränen. Und wieder holte er Luft und stellte seine Frage, ohne mich anzublicken. „Hat er -“
Obwohl ich wußte, was er fragen würde, hatte er mich mit seiner ersten Frage doch überrumpelt. Was sollte ich ihm antworten? Sollte ich ihm erzählen, daß er kurz vor seinem Ziel gewesen war, bevor Alisa - Oder schweigen?
Verneinend senkte ich den Kopf. „Nein.“
Er nickte erleichtert ins Feuer. Ein verstörendes Schweigen lag über der Lichtung und nur das Knistern des brennenden Holzes war zu hören.
„Und was ist mit ihr?“ Mit einer Kopfbewegung nickte er in die Richtung, in der Seamus mit Alisa verschwunden war.
„Ich kam zu spät. Ich konnte sie nicht davor bewahren.“
Ruckartig fuhr sein Kopf herum.
„Was? Du gibst dir die Schuld, daß sie -?“
„Hätte ich sofort nach ihr gesucht und mich nicht erst an den Tisch gesetzt, wäre das alles vielleicht nicht passiert.“
Bitterkeit durchdrang meine Stimme und entsetzt spürte ich, daß meine Lippen fest zusammen gepreßt waren. Er rutschte ein Stück zu mir, legte eine Hand auf mein Bein.
„Du hättest nichts tun können“, flüsterte er eindringlich. Hastig wandte ich mich ab.
„Doch. Ich hätte zumindest Hilfe holen können! Sie sie dir an! Ein blauer Fleck nach dem anderen an ihrem Körper. Ein Auge zugeschwollen, aufgeplatzte Lippen … Sie muß sich enorm gewehrt haben, bevor die Drei sie -“
Ich konnte nicht weitersprechen, voller Entsetzten schloß ich die Augen. Dies waren nur die äußeren, sichtbaren Wunden, aber die Verletzung ihrer Seele war unsichtbar für uns. Nur Alisa allein wußte um diesen Schmerz.
Robbie saß da, ebenfalls mit geschlossenen Augen und zusammengebissenen Zähnen.
„Ich
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