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Alba und Albion

Alba und Albion

Titel: Alba und Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Fentross
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irgend jemand weh tut.“ Noch immer flüsternd trat sie vor und nahm langsam meine Hände herunter. Tränen tropften uns beiden die Wangen hinab. „Du bist doch meine Schwester.“
    Ich öffnete die Augen und sah in ihr verweintes Gesicht.
    „Das hättest du nicht tun dürfen. Nicht einmal für eine Schwester. Das ist - Mord!“
    Traurig und verstört blickten wir uns einander eine Ewigkeit an, dann drückte sie sacht meine Hände und ich löste mich, um sie heftig zu umarmen.
    „Er wollte mich“, ich schniefte und schluckte schwer, „er wollte mich verge-“
    „Ja.“ Sie drückte meine Hand. „Ich wollte dir ersparen, was er mir -“
    Weiter konnte sie nicht sprechen. Von Weinkrämpfen geschüttelt, fiel sie auf die Knie und weinte sich die Seele aus dem Leib, ihr Gesicht in meinem Schoß vergraben und in diesem Augenblick wollte ich sie nur noch trösten.
 
    Wie lange wir so dastanden, wußte ich nicht mehr.
    Seltsamerweise hatte ich das Gefühl, mich um sie kümmern zu müssen, was mir unendlich viel Kraft gab. Ich tröstete sie, strich ihr über die nassen Haare und versuchte, ihr etwas von meiner aufkeimenden Energie abzugeben.
    Nach einiger Zeit zog ich sie wieder auf die Beine und führte sie zur Mauer des Brunnens, der in der Mitte des Hofes stand. Im seinem Schatten ließen wir uns wieder nieder, ungeachtet dessen, daß der Boden gefroren war und große Schneeflocken vom Himmel fielen. Wir verspürten keine Kälte, nur die tröstende Nähe des Anderen. Unsere Tränen waren fast versiegt. Ab und zu durchschüttelte uns ein Schluchzen, stets die Türe des Stalles im Blick, der nur einige Meter vor uns lag. Durch die kleinen Stallfenster sah ich hie und da einen Schatten vorbei huschen.
    Was machten sie nur da drinnen?
    Einmal ging die Türe auf. Robbie trat heraus und übergab sich an der Hauswand. Ein kurzer Blick in unsere Richtung und er war wieder verschwunden. Und wir warteten weiter.
    „Was wird nun geschehen?“ Eine ängstliche Alisa blickte mich an.
    „Ich weiß es nicht.“
    „Bin ich jetzt wirklich eine Mör-“
    „Still! Nicht sprechen.“ Sanft hielt ich ihr den Mund zu und holte tief Luft. „Nein, das bist du nicht.“
    Erneut kam Robbie heraus, schritt auf uns zu und reichte jedem von uns einen Umhang.
    „Hier. Werft euch das um und haltet euch bereit.“ Er machte wieder kehrt und schloß die Türe hinter sich. Gehorsam hüllten wir uns in die Umhänge und warteten, wie er es von uns verlangt hatte. Seltsamerweise war mir nicht kalt, auch vorher nicht, obwohl mein ganzer Oberkörper total freigelegt war. Es war mühselig, das Mieder und den Umhang darüber zusammen zu halten.
    Nach endlosem und bangem Warten traten sie endlich zusammen heraus.
    Sie steckten vor der Türe die Köpfe zusammen und Seamus warf die Öllampe in den Schuppen ohne sich noch einmal umzuschauen. Sofort stiegen hohe Flammen im hinteren Teil des Stalles auf.
    Entsetzt rief ich: „Die Tiere!“
    Mit ernsten Gesichtern schritten sie eilig zu uns, wir wurden am Arm gepackt und schleunigst verließen wir den Gutshof.
    „Was ist mit den Tieren? Sie haben doch nichts getan!“, rief ich erneut. Doch ich bekam keine Antwort.
    Im Eilschritt liefen wir in den dunklen Wald, der gleich an das Gehöft angrenzte, hinterher gezogen von den Männern, die den Ort des Verbrechens schleunigst hinter sich lassen wollten. Unnachgiebig zerrten sie uns weiter, Meile um Meile, Stunde um Stunde, bis zum Morgengrauen und sie der Meinung waren, daß wir nun weit genug vom Unglücksort entfernt waren.
    Schnaufend ließ ich mich neben Alisa an einem Baum nieder und sofort hielten wir uns wieder an den Händen.
    Robbie betrachtete uns eindringlich, mit ernstem Gesicht und finsterem Blick, sagte aber nichts. Stattdessen wandte er sich wieder Seamus zu, der in kürzester Zeit ein Feuer entfachte.
    Was war nur plötzlich los mit ihm? Warum tröstete er mich nicht und nahm mich in seine starken Arme? Spürte er denn nicht, daß ich ihn gerade jetzt brauchte? Während der ganzen Zeit der nächtlichen Flucht hielt er mich zwar an der Hand, aber es war nicht wie sonst die kleine Zärtlichkeit zu spüren. Kein Daumen strich über meinen Handrücken, kein Lächeln streifte mein Gesicht. Eine seltsame Befangenheit lag mir auf der Brust und ich hatte das Gefühl, dass er Abstand von mir haben wollte.
    Eine große Einsamkeit breitete sich in mir aus, obwohl Alisa neben mir saß und mit dem gleichen leeren Blick ins Feuer starrte, wie ich.
    Zu

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