Alba und Albion
die Klinge.
„Ich kenne ihn.“
Ungläubig beugte ich mich nach vorne und Alisa fragte leise: „Wer ist es?“
Doch er gab keine Antwort, sondern begann, seinen Dolch an einem Stein zu schärfen.
„Herrgottnochmal, Robbie! So sag doch schon, was los ist!“
Inzwischen war ich ziemlich aufgebracht und auch Alisas Busen hob und senkte sich hektisch. Da Robbie aber nicht daran dachte, zu antworten, schritt ich zu ihm, baute mich vor ihm auf und stemmte die Hände in die Seiten.
„Du kennst ihn? Woher denn? Robbie, du hast ihn doch gar nicht gesehen! Er war bereits auf und davon, als ihr in den Schuppen eintratet!“
„Ich weiß es von dem Mann, der noch im Schuppen war. Er hat uns nach einiger Zeit alles erzählt, was wir wissen wollten.“
Ich war entsetzt und konnte ihn nur noch anstarren. Alisa hatte sich inzwischen wieder in sich zurückgezogen, blinzelte ins Feuer und strich sich immer wieder über die Arme. Als ich das sah, setzte ich mich schnell wieder zu ihr und wärmte sie.
Seamus rutschte ebenfalls gemächlich näher, warf sich geschickt seine Decke um und schürte das Feuer, daß das Holz nur so krachte. Die wohlige Wärme, die es nun ausstrahlte, empfand ich im Moment als unangenehm heiß und rutschte etwas davon ab und überließ Alisa sich selbst.
Fragend starrte ich Robbie weiter an. Hatte er so etwas wirklich getan? Ich konnte es nicht glauben und doch mußte ich die Wahrheit wissen.
„Ihr habt ihn gefoltert und dann den Flammen überlassen?”, flüsterte ich.
„Wenn du es so nennen willst. Ja.“
„Und er hat noch gelebt?“
„Es könnte sein.“
„Es könnte sein? Robbie! Das ist doch barbarisch!“
Er lachte bitter und sein Blick war eiskalt. „Meinst du wirklich? Aber das sind wir doch in euren Augen! Barbaren! Oder nicht? Was macht es dann für einen Unterschied, auch so zu handeln?“
„Aber das ist unmenschlich!“
„Ach! Jetzt hör’ aber auf! War das unmenschlich?“ Mit wütenden, aufgerissenen Augen starrte er mich an und wies mit dem Finger zu Alisa. Er schnaubte verächtlich und strich sich ungestüm die offenen Haare aus der Stirn.
„Und was sie mit euch getan haben, war das menschlich? Ist das etwa in Ordnung gewesen?“ Seine Stimme hatte sich erhoben. Es war seine Handlungsunfähigkeit, die ihn so aufbrachte. Beruhigend legte ich meine Hand auf seinen Arm und ich spürte die Tränen aufsteigen, die ich vergeblich versuchte, herunter zu schlucken.
„Nein. Das war nicht in Ordnung.“
Grimmig steckte er seinen Dolch wieder in den Gürtel und stand auf.
„Hätte ich ihn denn einfach so gehen lassen sollen? Ist es das, was du wolltest?“ Wütend blickte zu mir herab. „Wer weiß, vielleicht haben sie dieses Monster noch rechtzeitig herausgezogen!“
Mit Riesenschritten verschwand er im Dickicht der Bäume und ich blinzelte ihm tränenblind hinterher.
Seamus, der alles aus nächster Nähe mitbekommen hatte, ließ sich von seiner Tätigkeit nicht abhalten und doch hatte er etwas zu sagen.
„Sei nicht so hart mit ihm, Mädel. Roy fühlt sich so hilflos. Er möchte euch beiden gerne alles abnehmen. Die Schande, die Schmerzen“, er nickte in Richtung Alisa, „die bösen Träume. Einfach alles. Aber das geht nun mal nicht. So sind eben die Gesetze Gottes. Jeder muß selbst durch seine eigene Hölle wandern.“
Die Tränen rannen mir nun die Wangen herunter, als ich zu Alisa sah, die noch immer wie abwesend vor dem Feuer saß und versuchte, ihr zerrissenes Mieder zusammen zu halten. Ich ging um das Feuer herum zu ihr und legte ihr meinen Umhang um die Schulter, den sie sofort vor der Brust zuzog.
„Es ist alles gut, Alisa.“ Beruhigend strich ich ihr über ihr Haar und gab ihr einen Kuß auf die Stirn. „Versuch ein bißchen zu schlafen. Das wird dir helfen.“
„Und die Träume?“
„Die können dir nichts anhaben. Du bist in Sicherheit. Unter Freunden.“
„Aye. Du hast recht.“ Zögerlich legte sie ihren Kopf auf den Boden und schloß die Augen, während ich ihr über die Schulter strich.
„Niemand kann dir was antun. Du bist nicht allein.“
„Danke, Schwester.“
Einige Zeit saß ich neben ihr und strich ihr sanft über den Kopf, bis ich an ihrem Atem erkannte, daß sie tief und fest schlief.
„Was kann ich tun?”, flüsterte ich flehend zu Seamus.
„Geh’ ihm nach und zeig ihm, daß du ihn liebst.“ Er zwinkerte mir lächelnd zu und sein dichter, roter Bart wackelte. „Du bist es, was er jetzt braucht. Und dir tut es
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