Alba und Albion
die zweite Tochter, die nach Robbies Meinung nach die Hübscheste war, sandte verschlüsselte Nachrichten. Ein untrügliches Zeichen dafür, daß es ihr nicht so gut erging wie ihren Schwestern.
Dies geschah vor fast zehn Jahren.
„Das finde ich sehr romantisch. Stell’ dir vor, du hättest mich genauso entführt und geheiratet“, seufzte ich und lehnte mich an ihn.
„Wenn man es genau betrachtet, dann habe ich das auch getan.“ Er lachte leise, während ich mit seinen wundervollen Locken, die auf seiner Schulter auflagen, spielte. „Ich habe dich verschleppt und geheiratet. Oder nicht?“
„Ja“, hauchte ich ihm zu. „Das hast du.“
Gemeinsam genossen wir die wieder gefundene Nähe des Anderen, bis sich erneut meine Neugier einstellte.
„Wohin wurden sie denn gebracht?“
„Genau wissen wir es bis heute nicht. Man vermutet, zwei von ihnen leben tief in den Highlands und eine von ihnen soll in den berüchtigten Clan Campbell eingeheiratet haben. Aber wie gesagt, offiziell wissen wir nichts genaues.“
„Was ist mit dem Clan Campbell?“
„Das ist ein riesiger Clan, was ihn ziemlich stark und somit auch gefährlich macht.“ Unwohl bewegte er seine Schultern und sah sich um.
„Übrigens befinden wir uns im Moment in deren Gebiet. Das macht mir etwas Sorgen.“ Er rieb sich den Nacken und aus dieser Bewegung konnte ich erkennen, dass ihm bei dem Gedanken nicht sehr wohl war. Auch ich blickte mich um.
„Sind die denn nicht so freundlich?“
„Nach dem, was man so hört … Nein.“
„Wissen die Anderen auch davon bescheid?“
„Aye. Sie sind auch unruhig, aber wir müssen endlich einmal richtig rasten. Außerdem ist deren Gebiet riesig. Ein Durchkommen an einem Tag wäre sowieso nicht möglich.“ Er seufzte und setzte das Thema fort, während er sein Messer in der Hand betrachtete.
„Sollte es jemals herauskommen, wo die Mädchen sind, wird meine Familie nicht zögern, sie wieder zurück zu holen. Auch wenn sie verheiratet sind.“ Energisch hieb er den Dolch in den Boden. „Mit oder ohne Gewalt!“
„Haben sie denn nie geschrieben, wo sie sind?“
„Nein. Ich vermute, ihrer Mutter dürfen sie nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit schreiben. Was eigentlich nur heißt, daß die Briefe vorher gelesen werden.“
„Oh.“ Ich dachte kurz nach. „Was ist, wenn ihr sie findet, sie aber nicht zurück wollen?“
„Danach werden sie nicht gefragt. Es kommt auf die Situation drauf an, verstehst du? Vielleicht wird ein Tauschpfand vereinbart, vielleicht auch nicht. Hier geht es um die Ehre des Clans!“
„Ehre!“ Ich schnaubte verächtlich. „Das ist wieder typisch Mann! Zuerst die Ehre, dann der Verstand!“
„Denkst du das wirklich von den Männern?“ Er blickte mich schelmisch von der Seite an und grinste, so daß ich seine perfekten Zähne sehen konnte.
„Nicht von allen, aber die meisten sind so.“
„Aye. Da hast du wohl recht.“
Nachdenklich blickte er auf seine Hände. „Aber wenn man einem festen Gefüge lebt, kann man nicht aus der Reihe tanzen, ohne selbst verstoßen zu werden. Deshalb wird sich der Einzelne nie gegen die große Masse stellen können oder wollen. Wir sind so erzogen worden, für das Wohl der Gemeinschaft zu handeln und zu denken. Verstehst du, was ich damit sagen will?“
Lange blickte ich ihn an und dann verstand ich plötzlich. Ich nickte. „Ja. Ich denke schon.“
„Ich hatte dir einmal grob erklärt, wie ein Clan funktioniert. Man kümmert sich um die Belange der Menschen und wenn einer in Not ist, wird er aufgefangen. Der Preis dafür ist eine Art Steuer, die jeder mehr oder weniger gerne aufbringt, entweder in Geld oder in Naturalien - eben das, was man entbehren kann. Dafür gibt es Schutz, einen starken Zusammenhalt und wir kämpfen zusammen, wenn der Chief ruft!“
Er holte tief Atem, blickte zu Boden. „Und dazu gehört nun einmal auch die Rache. Auch wenn es kein schöner Gedanke ist - es ist einfach so! Und ich kann es nicht ändern.“
Er drehte sich zu mir und hob mein Kinn und seine Stimme klang plötzlich sehr rauh. „Deshalb kann ich nicht anders, als diese Tat zu rächen. Dich zu rächen!“
Fast hätte ich in diesem trauten Zusammensein vergessen, warum wir eigentlich hier saßen. Ich schluckte schwer, hatte ich doch erst jetzt begriffen, warum er mir von seinen Cousinen erzählt hatte.
„Ja. Jetzt verstehe ich dich.“ Ich reckte mich ihm entgegen, küßte ihn zärtlich, woraufhin er mich in die Arme nahm und
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