Alba und Albion
Herausforderer zu sein, wußte er doch, sein kleineres Gegenüber würde niemals ernst machen.
Wutschnaubend stürmte Seamus an Robbies Seite, stieß ein paar umstehende Schotten um und schnappte sich Nicleoid am Plaid. Gefährlich zischte er ihn an.
„Pfoten weg von meinem Herrn, verstanden? Krümme ihm ein Haar und ich breche dir mit meinem kleinen Finger das Rückgrat!“
Als er nicht sofort reagierte, knurrte er noch mal. „Nimm endlich diesen elenden Zahnstocher von seinem Hals!“
Unwirsch wischte er besagten Dolch zur Seite, der sauste in hohem Bogen durch die Luft und schwer schnaufend und ebenso schimpfend setzte sich Nicleoid nun in Bewegung, bis er nach langem Suchen seinen Dolch wieder im Gürtel verschwinden ließ. Auch er wurde nun von seinem Kameraden zur Vernunft angehalten.
„Komm schon, Perry. Laß dich nicht ärgern! Denen wird ihr Hochmut schon noch vergehen, wenn sie erst einmal beim Chef sind!“
Ein verhöhnendes Gelächter ertönte und sie schritten feixend voraus, während wir ihnen folgten und ebenfalls in den Hof stolperten, der von innen viel größer wirkte. Und da die Burg an einem auslaufenden Hang gebaut war, erblickte ich weite, teilweise noch schneebedeckte Felder, die sich in einem endlosen Ausblick darboten. Ich fand es atemberaubend.
„Robbie! Sieh doch nur! Ist das nicht schön?“
Genervt blickte er mich an. „Was soll denn hier schön sein? Viel lieber wäre ich auf einem Pferderücken in Richtung Skye. Pah!“
Ich lächelte ihn an, trotz seiner üblen Laune selig, an seiner Seite zu sein.
„Hier geht’s lang!“
Der derbe Stoß in den Rücken holte mich wieder zurück in die grausame Wirklichkeit.
Die Burg war chaotisch.
Es ging kreuz und quer durch finstere Gänge, nur erhellt von einigen abgestellten Lampen, die leise vor sich hin brannten, nach links, dann wieder nach rechts, zehn Stufen nach oben und zwei wieder nach unten. Schließlich öffnete sich lautlos eine dicke, schwere Eichentür und wir traten ein.
Sofort schloss sich die Türe hinter uns und unwillkürlich blickten wir uns um.
„Was für eine freundliche Begrüßung“, raunte ich Alisa zu, als sofort zwei schwer bewaffnete Schotten mit grimmiger Miene unsere einzige Fluchtmöglichkeit versperrten.
Der Saal, riesig und doch sehr geschmackvoll eingerichtet, roch angenehm nach Wald und ich sah einen großen Korb, randvoll gefüllt mit Tannenzapfen, mit denen das Feuer im Kamin von einem Knaben gefüttert wurde. An den Wänden hingen zahlreiche Portraits von Menschen, anscheinend alle miteinander verwandt, wie die Ähnlichkeit annehmen ließ und die Fenster umrahmten rote, saftige Portieren mit dunkelgrünen Quasten.
Große Steinplatten bedeckten den Boden, auf denen unsere Schritte schwer an den holzvertäfelten Wänden widerhallten. Mit angespannten Nerven schritten wir durch den Spalier der beiden langen Tische, die links und rechts von uns standen, umrahmt von mehreren Dutzend derben Holzstühlen mit enorm hohen Rückenlehnen. Am Ende des Saales führten drei Stufen, die die ganze Breite des Saales einnahmen und mit dunkelgrünem Teppich belegt waren, nach oben und vor uns stand - der Hausherr!
Breitbeinig, die Hände in die Seite gestemmt, sah er auf uns herab.
Verstohlen musterte ich den anscheinend höchsten Mann dieses Clans, eine imposante Person und in seinem kompletten Staat bekleidet, erschien er mir als äußerst attraktiver Mann mittleren Alters, nach Hochlandsitte ausstaffiert, mit einem Kilt, der in gleichmäßige und exakte Falten gelegt war. Auch sein Plaid, gehalten von einer kostbaren goldenen Spange, schien sich um ihn zu schlingen, als ob er in Stein gemeisselt wäre. Jede Falte saß genau an ihrem Platz.
Leicht belustigt nahm ich seine Tasche, den Sporran, zur Kenntnis. Sie bestand aus einem kompletten Dachsfell und die Lasche, hergestellt aus dem Kopf des Tieres, leuchtete durch weiße Zähne. Es sah aus, als würde uns der Dachs angrinsen.
Doch am Auffälligsten erschienen seine kupferroten Haare, die, sorgsam nach hinten gekämmt, seidig auf seinen Schultern auflagen. Sein Bart wirkte sehr gepflegt und hatte das gleiche intensive Rot, wie sein Haupthaar. Ich konnte mir gut vorstellen, daß er schon so manches Frauenherz gebrochen hatte. Jetzt wußte ich auch, warum Robbie ihn einen Weiberheld genannt hatte und fast schien er mir sympathisch, wären da nicht diese eisigen und unbarmherzigen Augen.
„Wer von euch ist Robert Patrick MacDonald?“
Seine
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