Alba und Albion
ein. Ein Hauch von Leder, das die schweren Sessel ausströmten, die im Erker arrangiert waren, erfüllte die Luft und ich roch das Holz der Wandvertäfelung. Staubpartikelchen tanzten lustig durch das Zimmer, sichtbar durch das Licht, das vom Erkerfenster am Ende des Raumes in einem schmalen Balken einfiel.
Langsam gewöhnten sich meine Augen an das dämmrige Licht, ich sah mich um und staunte.
Hier stand ich mitten in der Bibliothek des Hauses. Jede der vier Wände war vom hölzernen Fußboden bis zur ebenfalls holzvertäfelten Decke mit Büchern bedeckt. Buch an Buch drückte sich in den Regalen, wohin ich auch blickte. Da standen Enzyklopädien in den verschieden farbigsten Ledereinbänden, es schimmerten golden die Oberkanten der Bücher und aus der Entfernung entzifferte ich einige Titel in Latein und französisch. Ich war überwältigt!
Zaghaft schritt ich auf die Regale zu und strich ehrfürchtig über einen der alten Einbände.
„Sie dürfen es herausnehmen, wenn Sie wollen.“
Erstarrt vor Schreck hielt ich inne und drehte mich langsam um. Mein Herz schlug laut und ich dachte, das Trommeln würde das ganze Gebäude erschüttern.
„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie erschreckt habe.“
Eine vornehme Dame mittleren Alters im schlichten bordeauxfarbenem Samtkleid saß im Erker des Raumes in einem der hohen Ohrensessel. Da die Sessel gegen die Türe standen, hatte ich sie nicht bemerkt. Langsam stand sie nun auf und kam mir entgegen. Da sie gegen das Licht stand, sah ich nur ihren Umriß, der eine groß gewachsene schlanke Frau mit hochgestecktem Haar abzeichnete.
„Ich stelle mich am Besten erst einmal vor. Mein Name ist Cathlyn Campbell. Ich bin sozusagen die Herrin dieses alten Gemäuers.“
War das eine der entführten Cousinen von Robbie? Mit ruhigerem Herzen trat ich einen Schritt auf sie zu und knickste höflich.
„Bitte verzeihen Sie, wenn ich so eigenmächtig hier eingedrungen bin. Ich werde mich sofort wieder zurückziehen.“
Ich wollte mich abwenden, als sie mich am Arm berührte.
„Nein. Bitte leisten Sie mir Gesellschaft.“
Sie trat einen Schritt zur Seite und machte eine einladende Geste. „Setzen Sie sich doch zu mir, dann können wir uns ein wenig unterhalten.“
Unsicher, ob ich das Angebot annehmen sollte, nickte ich schließlich und setzte mich ihr gegenüber. Verstohlen musterte ich sie. Ihre ehemals roten Haare durchzogen zahlreiche weiße Strähnen, doch ihre Schönheit war noch immer auszumachen. Verlegen blickte ich auf meine Hände.
„Wie heißen Sie?“
Was für ein Fauxpas! Ich hatte mich noch gar nicht vorgestellt. Hastig stand ich wieder auf und knickste erneut, diesmal mit mehr Grazie.
„Mein Name ist Susanna Taylor MacDonald, Mylady.“
„MacDonald? So, so.“
Sie musterte mich intensiv.
„Wie ich gehört habe, werden Sie die Gastfreundschaft meines Mannes einige Zeit in Anspruch nehmen müssen.“
Müssen! Wie wahr. Anscheinend war sie über alles im Bilde, auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ.
„Ja. Das ist richtig. Allerdings möchte mein Gatte so schnell wie möglich weiter.“
„Wohin denn?“
„Wir wollen nach Skye. Nach Armadale, zu seiner Familie.“
„Ah.“ Neugierig musterte sie mich. „Sie waren schon auf Skye?“
„Nein, bisher nicht.“
„Woher kommen Sie? Ich kann erkennen, daß sie auf alle Fälle eine Sassenach - Verzeihung - eine Engländerin sind.“
Sassenach? Dieses Wort hatte ich schon öfters gehört, seit wir uns in Schottland aufhielten, doch meist wurde es in einem verächtlichen Ton ausgesprochen. Sie allerdings vermied jegliche Gefühlsregung.
„Ich komme aus Bedford. Das liegt in der Grafschaft Bedfordshire. Aber Sie haben bestimmt noch nichts davon gehört. Es ist nur ein Dorf in der Nähe.“
„Bedford? Doch, ich kenne es vom Hörensagen.“
„Wirklich? Woher?“ Errötend senkte ich den Kopf. „Entschuldigen Sie. Ich möchte nicht unhöflich sein. Es ist nur so, daß ich seit Monaten von Zuhause fort bin.“
„Haben Sie Heimweh?“
„Nein, nicht direkt. Aber es gibt ein paar Menschen, die ich etwas vermisse.“
„Um auf Ihre Frage zurück zu kommen, ich kenne Bedford von einem guten Freund, der uns zeitweise besucht. Er selbst lebt in London, soviel ich weiß.“
„Aus London? Wirklich?“, sagte ich matt. Ein leichter Schwächeanfall machte sich bemerkbar. Bitte, laß es nicht schon wieder Peter Templeton sein! Ich schluckte schwer und versuchte, meiner Stimme einen heiteren Klang zu
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