Alba und Albion
selten hinter dem Berg hielten. Sie waren meist sehr offenherzig und artig hörte ich zu. Sanft lächelnd blickte sie zum Fenster hinaus und ihre Stimme wurde immer leiser.
„Sehen Sie nur, es schneit wieder“, flüsterte sie.
Ich folgte ihrem Blick.
„Es ist nun der elfte Winter, den ich hier verbringe. Und ich möchte keinen Tag missen.“
Sie stand auf, öffnete eines der drei Butzenscheibenfenster und herein kam ein Schwall eiskalter, erfrischender Luft. Sie flüsterte weiter und ich hatte Mühe, sie zu verstehen.
„Können Sie sich das vorstellen? Ich habe den Kontakt zu meiner Familie abgebrochen, um mein Leben an der Seite dieses zu unrecht verrufenen Mannes zu verbringen. Es ist eine Ehe, aufgebaut auf Liebe und Treue, die auf Gegenseitigkeit beruht.“
Na, da hatte ich aber etwas über die Treue gehört! War da nicht was mit dutzenden Bälgern?
Ich schwieg und nickte wieder gehorsam. Als wenn sie nun aus ihrer Trance erwacht wäre, drehte sie sich schwungvoll um, lachte mich an und reichte mir ihre Hand.
„Kommen Sie! Sehen Sie hinaus! Ist das nicht wunderschön?“
Ich stand auf und gemeinsam blickte wir über die verschneiten Felder, die Wälder und Bäume mit ihren weißen Häubchen und aus der Ferne hörten wir Kinderlachen.
„Sie fragen sich bestimmt, warum ich Ihnen das Alles erzählt habe.“
Ich sah sie an.
„Nun ja … Ehrlich gesagt, ja.“
„Sagen Sie Ihrem Mann, ich möchte nicht gerettet werden. Ich bleibe hier, was auch immer passiert. Und ich werde auch nicht mehr nach Armadale zurückkehren. Niemals!“
Ihr plötzlicher Tonfall ließ mich erschaudern. Sie war es also tatsächlich. Ich blickte sie an, blickte in ihre wunderschönen stahlblauen Augen, die eine unheimliche Ähnlichkeit mit denen Robbies hatten und jetzt genauso kalt blitzten, wie die Campbells.
„Sagen Sie ihm, ich bin hier glücklich.“
Als sie meinen zweifelnden Blick sah, lächelte sie wieder sanft und strich mir über die Schulter. „Ehrlich. Ich bin es.“
„J-ja. W-wenn Sie es sagen, dann -“ Ich stockte und mir fiel etwas Wichtiges ein.
„Wissen Sie etwas von Ihren Schwestern? Wo sie sind und wie es ihnen ergeht?“, platzte ich heraus.
Wieder drehte sie sich ab.
„Ich sehe, Sie wissen Bescheid über unsere Familiengeschichte. Aber gut, ich werd’s Ihnen sagen. Sie sind beide tot. Die Jüngere starb im Kindbett ihres siebten Kindes und die andere Schwester wurde in ihrem Gemach von Räubern ermordet. Sie starb noch in der gleichen Nacht, zusammen mit ihren kleinen Zwillingen.“
„Das ist ja entsetzlich“, flüsterte ich. „Ihre arme Mutter.“
„Sie ist auch tot.“
„Oh.“ Ich schluckte. „Das tut mir leid.“
„Mir auch. Vor einigen Jahren hatte ich noch den Wunsch, meine Mutter einmal wiederzusehen, doch nun hat sich das erledigt.“ Sie seufzte unmerklich. „Sie ist vor meinen Schwestern gestorben und hat von der Tragödie gottlob nichts mehr erfahren.“
Ich war ein wenig irritiert. Auf der einen Seite erzählte sie, sie habe den Kontakt abgebrochen, auf der anderen Seite hatte sie wohl Sehnsucht nach ihrer Mutter gehabt. Und sie sprach ziemlich emotionslos von all den Angelegenheiten, bis auf die Geschichte mit ihren Mann. Man konnte ihre Gefühle greifen, so sanft hatte sie von ihm gesprochen.
Ich dachte an meine Mutter und daran, daß ich sie ebenfalls vielleicht nicht wieder sehen würde. Tränen drückten gegen meine Augen und tapfer kämpfte ich sie herunter. Cathlyn bemerkte es und nahm mein Kinn in ihre Hand und ich blickte sie an.
„Wenn Sie weiter in dieses Land einreisen oder gar auf Armadale eintreffen, wird Sie das gleiche Schicksal treffen. Ist Ihnen das bewußt?“
Was redete sie denn da? Mein Robbie würde mich nicht so behandeln. Wenn ich nach Hause wollte, dann - Ja, was? Würde er mich tatsächlich gehen lassen? Allein?
Mit großen Augen blickte ich in die ihren, die nun wieder Sanftheit ausstrahlten.
„Sie werden Ihrer Familie abschwören müssen. Liebe hin oder her, es wird auch für Sie Momente geben, an denen Sie Ihre Seele verkaufen würden, nur um noch ein einziges Mal die Ihren zu sehen. Den einzigartigen Duft Ihrer Mutter zu riechen, die Wärme Ihres Heimes. Nur wenn Sie bereit sind, auf all das zu verzichten, werden Sie an seiner Seite glücklich werden.“ Sie senkte den Blick. „Sie sind noch jung. Sie haben die Möglichkeit, damit fertig zu werden.“
Cathlyn nahm mich kurz an den Schultern, drückte mir links und rechts einen
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