Alba und Albion
geben, der jedoch kläglich mißlang. „Wie heißt denn der werte Herr?“
Sie lächelte.
„Es ist ein gewisser Stephen Miller, der -“
Zuerst fühlte ich mich erleichtert, doch als ich den Wert ihrer Worte erfaßte, erstarrte mein ganzer Körper. Mit verkrampften Händen hielt ich mich an den Lehnen fest und beugte mich ungläubig vor. An die Etikette konnte ich mich nun nicht mehr halten.
„Stephen? Sie kennen Stephen?“
„Aye. Und wie ich sehe, kennen Sie ihn auch.“
Sie hatte nun ebenfalls ihre zurückhaltende Vornehmheit abgelegt und sprach in einem breiten schottisch. Erstaunt und leicht amüsiert sah sie mich an.
„Ja, das tue ich.“
„Erzählen Sie! Woher kennen Sie ihn?“, forderte sie mich auf und ließ mich keine Sekunde aus den Augen.
„Äh, d-das ist mir etwas unangenehm“, stammelte ich.
„Wenn Sie nicht möchten, dann reden wir von etwas anderem.“
„Nein, ist schon in Ordnung. Wir waren verlobt, bis ich mit -“
„Sie sind mit Ihrem Stallknecht durchgebrannt“, unterbrach sie mich erstaunt. „Sie sind das also!“
„Ja. Ich bin das“, sagte ich und lächelte. „Und wir haben auf der Reise hierher geheiratet.“ Ich blickte auf meine Hände. „Was … was hat er denn über mich erzählt?“
Sie nahm meine Hand und drückte sie.
„Sie können unbesorgt sein. Er hat stets gut von ihnen gesprochen. Ich denke, auch wenn er seit Jahren in Sie verliebt war, hat er es doch gut verkraftet. Stephen hat inzwischen auch geheiratet.“
„Ja, das habe ich schon gehört.“
„Aye?“
„Ein“, ich räusperte mich. Nur ungern dachte ich an Templeton. „Ein Bekannter hatte es einmal erwähnt.“
„So, so.“
Einige Sekunden blickten wir uns ungläubig an. Noch immer konnte ich es nicht fassen, daß diese Frau mit Stephen bekannt war und ihr schien es genauso zu gehen. Cathlyn fing sich schneller wieder als ich und goß eine Tasse duftenden Tees ein. Mit einem aufmunternden Lächeln hielt sie sie mir entgegen.
Der erste Schreck verflog schließlich und genüßlich schnupperte ich an der Tasse aus feinstem Chinaporzellan, die ich in meinen Händen hielt.
„Mmmm. Es ist schon einige Zeit her, seit ich einen solch köstlichen Tee trinken durfte.“
„Aye. Das ist ein echter Oolong-Souchong aus China. Es gibt nicht viele Häuser, die so etwas anbieten können. Nehmen Sie Zucker? Oder Sahne?“
Sahne! Wie lange hatte ich diesen Geschmack schon nicht mehr auf der Zunge gespürt!
„Gerne“, antwortete ich bescheiden. Cathlyn reichte mir beide Schälchen und ich bediente mich.
„Ich denke, auch das habe ich vermißt.“ Genüßlich nippte ich an meiner Tasse und sie lächelte mich freundlich an.
„Hier gibt es leider nicht viel Abwechslung und mir ist jeder Gast willkommen. Vor allem, wenn er aus Skye kommt.“
Sie nahm ebenfalls einen Schluck Tee und stellte die Tasse leise klirrend auf dem Tisch ab, der zwischen den wuchtigen Sesseln stand.
„Erzählen Sie! Wie sind sie hierher gekommen?“
Wut strömte auf, doch ich konnte mich gerade noch zusammenreißen. Sollte ich ihr wirklich sagen, daß wir von ihrem Mann hier als Geldgeiseln festgehalten wurden? Nein, ich wollte sie nicht gleich in der ersten Stunde verärgern. Außerdem fand ich sie recht sympathisch. Ich blieb sachlich und hob die Freundlichkeit des Hauses hervor.
„Ihre Kinder haben wir gestern auch kennengelernt. Sehr entzückend, die drei.“
Schmunzelnd schüttelte sie den Kopf.
„Ich denke nicht, daß sie entzückend sind. Sie sind verzogen und ungehörig. Maisi, ihr Kindermädchen, kann sich einfach nicht durchsetzen, dabei sage ich ihr immer wieder, wenn sie frech werden, soll sie ihnen eine Backpfeife geben.“
„Da können Sie unbesorgt sein, sie tut es!“
Wir lachten und ich erzählte ihr im lustigen Plauderton, was sich gestern abend an der Tafel ereignet hatte. Lachend saßen wir uns gegenüber und blickten uns an. Dann erstarb ihr Lächeln.
„Wissen Sie“, begann sie. „Ich bin einst nicht freiwillig hierher gekommen. Man hat mich richtiggehend entführt. Als ich dann hier auf Castle Moraigh angekommen bin und dem Herrn vorgestellt wurde, konnte ich mir nicht vorstellen, an seiner Seite zu leben. Er war so groß und mächtig und ich hatte Angst vor ihm. Aber dann, nach der Heirat begann ich, ihn zu lieben.“
Ich fühlte mich etwas unbehaglich, da sie so intim mit mir sprach. Doch ich hatte bei den Schotten schon öfters die Erfahrung gemacht, daß sie mit ihren Gefühlen
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