Alba und Albion
in wunderschöne Frauen. Es sollen besonders gute Mütter und Geliebte sein. Und wenn man ein Fell rechtzeitig stehlen kann, ist ihnen der Weg zurück ins Meer versperrt und sie sind gezwungen, bei dem Mann zu bleiben. Und man sagt, wenn man dann ein solches Wesen bei sich hat, solle man das Fell verbrennen, damit sie für immer an ihn gebunden ist.“
„Ist das romantisch!“
„Aye. Nun, in diesem Fall heißt es, einer meiner Vorfahren legte sich eines Nachts auf die Lauer, wartete, bis ein Seehund sich das Fell abstreifte und nahm es an sich. Kurz vor Morgengrauen, er war inzwischen eingeschlafen, hörte er ein herzerweichendes Weinen. Es war ein Selkie-Mädchen, das ihr Fell nicht mehr fand. Also ging er auf das schöne Mädel zu. Sie war ganz und gar nackt und nur ihr Haar verhüllte ihren Körper und beim ersten Blick verliebte er sich unsterblich in sie. Sie hatte bodenlange schwarze Haare - eine wahre Schönheit mit einer Haut, die wie Perlmutt schimmerte.“
Zärtlich strich er über meine aufgetürmte Haarpracht und drückte einen Kuß auf meinen Nacken, daß sich bei mir die Haare sträubten.
„Sie lebten viele Jahre zusammen, sie gebar ihm viele gesunde Kinder und war ihm eine gute Ehefrau. Doch sie hatte nie vergessen, woher sie eigentlich kam und hat nie aufgehört, ihr Fell zu suchen. Auch hat sich ihr Aussehen nie verändert, noch immer war sie schön wie früher, während der Mann mit den Jahren immer älter und vergesslicher wurde. Schließlich fand sie, was sie suchte und war auch schon verschwunden.“
Sanft strich Robbie über die Kugeln.
„Diese zweiundfünfzig Perlen“, er hob die Kette etwas hoch, „ließ sie an dem Platz zurück, an dem das Fell die ganzen Jahre versteckt war. Eine Perle für jedes Ehejahr.“
Er seufzte. „Der Mann starb kurze Zeit später an gebrochenen Herzen und an dem Gedanken, daß er das Fell nicht verbrannt, sondern nur versteckt hatte. Die Kinder waren inzwischen erwachsen, gingen ihre eigenen Wege und unser Selkie-Mädchen … Manchmal denke ich, sie ist in dieser Kette gefangen.“
„Wieso denn das?“
„Vielleicht klingt es albern, aber jede Frau, die diese Kette besaß, behielt ihre Schönheit bis zum Tode.“
„Das ist eine wunderschöne Geschichte, Robbie“, sagte ich verträumt und stellte mir vor, wie diese Frau wohl ausgesehen haben könnte. Ich lächelte ihn an. „Und was hat das mit deiner Familie zu tun?“
„Es ist die Kette meiner Mutter.“
„Deiner …“, ich schluckte und war fassungslos. „Oh, Robbie! Und du gibst sie mir?“ Ich war mehr als nur gerührt.
„Aye.“
Seine Sentimentalität verschwand und leise lachend drückte er mich an sich. „Wem soll ich sie denn sonst geben? Du bist meine Gattin und mir steht sie nicht besonders gut!“
Ich stimmte in sein Lachen mit ein.
„Aber wie kommt denn Campbells Frau an diesen Schmuck?“
„Meine Mutter hat sie ihr geschenkt, nachdem sie merkte, dass bei ihr nach drei Lausbuben kein Mädel mehr kommt. Und sie war die Älteste Tochter meiner Tante, also die Erste, die heiraten würde. Außerdem benötigte Cathlyn damals noch einiges für ihre Aussteuer.“ Nachdenklich sah er sich im Raum um und strich sich gedankenverloren mit der Hand über sein Kinn. „Jetzt hat sie sicherlich mehr, als sie sich jemals erträumt hatte.“
„Mister MacDonald, dürfte ich um die Ehre bitten, Ihre bezaubernde Gattin zum Tanz zu geleiten?“
„Aye. Wenn Sie sie nicht entführen, gerne.“
Stephen zwinkerte ihm schelmisch zu. „Sir, ich bin auch verheiratet und werde in Kürze Vater.“
Einige der Gäste blickten unverständlich und mit offener Neugier zu uns, befürchteten sie doch einen Skandal, aber da beide Herren grinsten, würde es bei dieser Neckerei wohl bleiben und sie wandten sich wieder ihren Kreisen zu.
Belustigt riß ich mich zusammen, um gerade heute Abend nicht aus dem Rahmen zu fallen und galant führte mich Stephen zum Tanz. Wir wirbelten herum, schritten dann wieder gekonnt die Taktfolge ab und ich spürte die Blicke meines Mannes und so manch’ anderem Herrn auf uns gerichtet.
Stephen tanzte göttlich. Nach dem fünften Tanz führte er mich von der Tanzfläche. Ich war außer Puste, doch ich fühlte mich großartig. Von Weitem sah ich Robbie, wie er, in ein anscheinend sehr spannendes Gespräch vertieft, wild mit den Händen gestikulierte. Sein Gesprächspartner war einer der geladenen schottischen Gutsherrn. Er beugte sich zu dem kleinen dicken Herrn
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