Alba und Albion
stand auf und steckte die Brosche an den Plaid, während er sich mit den Händen über das Gesicht fuhr und ebenfalls gähnte.
„Ich weiß gar nicht, was ich in den nächsten Tagen tun soll. Alisa ist ja auch nicht da“, jammerte ich.
„Nein?“ Robbie sah erstaunt zu mir herunter.
„Nein. Sie wird euch begleiten und dem Koch zur Seite stehen.“
Robbie knurrte etwas in sich hinein und mit grimmigem Blick zupfte er den Umhang noch zurecht. Dann holte er tief Luft und nahm mich fest in den Arm.
„Ich sag’s dir nur ungern, aber da hat sie mehr Glück als du. Ihr Michail wird auf die Pferde acht geben.“
„Wirklich?”, fragte ich dünn und schluckte. „Sie ist zu beneiden.“
„Nun, Kleines, ich bin in ein paar Tagen wieder da und hoffe, daß ich dann etwas für unsere Weiterreise arrangieren konnte. Bis dahin“, er zwickte mich leicht in die Wange, „bis dahin halte dich an deinen Freund Stephen und sei ein liebes Mädel. Ich glaube, ihm liegt sehr viel an deinem Wohlergehen.“
Ich senkte den Blick. „Ja. Immerhin wollte er mich heiraten.“
„Nun denn“, er gab mir brummig einen Kuß auf die Stirn, „ich weiß dich bei ihm dennoch in guten Händen. Und jetzt verschwinde ich!“
„Du gehst sofort wieder ins Bett, wenn du die Türe verschlossen hast, verstanden?“, sagte er und gab mir noch einen Klaps auf den Po, „sonst bist du krank, bis ich wieder komme. Das wollen wir doch beide nicht, oder?“
Ich kicherte. Wir küßten und drückten uns noch einmal, dann verschwand er endgültig im Dunkel des Korridors. Geknickt verriegelte ich die Tür und Robbies schwere Schritte entfernten sich immer mehr, bis sie ganz verhallten.
Ich seufzte.
Vier Tage!
Wie sollte ich das nur durchstehen?
Unschlüssig wanderte ich durch das Zimmer, dachte daran, daß Alisa mit ihrem Michail zusammen sein würde und spürte etwas wie Neid in mir aufkeimen. Seufzend zog ich mein Nachtgewand enger und wanderte ziellos im Zimmer umher. Durch das geschlossene Fenster drang das Gelächter und Gegröle der Jagdgesellschaft herauf. Ich versuchte etwas durch die beschlagenen Scheiben zu erkennen und kicherte in mich hinein. Einige der Herren standen in nachlässiger Kleidung und ziemlich schwankend jedem im Weg, der an ihnen vorbei wollte, sangen lauthals und mit falscher Stimme Lieder auf den Pretender.
Charlie is my darlin’, my darlin, my darlin’,
Charlie is my darlin’, the young Chevalier …
Anscheinend hatten sie sich erst gar nicht niedergelegt und würden den ersten Tag der Jagd mit Sicherheit im Lager verschlafen. Wie sich die Menschen nur gleichten! Genauso war es auch bei jeder Jagd gewesen, die Vater ausgerichtet hatte.
Vater.
Bei dem Gedanken an meine Familie machte sich Wehmut in meiner Brust breit und der Kloß im Hals wurde wieder größer. Ich ahnte, da er bis zu Robbies Rückkehr nicht verschwinden würde.
Ich fröstelte und meine Füße fühlten sich inzwischen wie Eisklötze an. Ich tat, was Robbie mir angeraten hatte, legte mich ins Bett und verlöschte die Kerze. Konzentriert horchte ich auf den lautstarken Abmarsch der Gesellschaft in die Wildnis.
Doch bis dahin war ich wieder eingeschlafen.
41
Geister und die verdammten Knochen
„Möchten Sie nicht lieber mit Mylady frühstücken? Es ist hier ein bißchen einsam, jetzt, wo der Herr weg ist, finden Sie nicht?“
Das junge Mädchen, das sich tagtäglich um unser Wohlergehen kümmerte, plapperte unbekümmert weiter, während sie das Bett richtete, den Kamin ausfegte und ich im Morgenmantel davor saß und im rußigen Staub mein Frühstück einnahm. Die Aussicht auf Abwechslung ließ meinen momentanen Stimmungspegel rasant in die Höhe schnellen.
„Oh, das wäre reizend. Aber ist es ihr denn auch recht?“
„Aye, ich denke schon.“
Molly, ziemlich vorlaut und leicht tratschsüchtig, hatte sich in den letzten Tagen, die wir hier verbrachten, sehr gewandelt. Sicher, sie war nur eine Dienstmagd, doch von ihr bekam ich die Informationen, die ich für das tägliche Leben in dieser Burg brauchte. Schnaufend stand sie auf und wischte sich mit dem Handrücken die Stirn, was einen schwarzen Rußstreifen hinterließ.
„Wo sind denn die anderen Damen am Morgen?“
„Ach die!“ Sie winkte abwertend ab. „Die sind in ihren Kammern und werden sicherlich erst gegen Nachmittag herauskommen. Die eine will den Badezuber gefüllt haben, die andere schläft gerne etwas länger
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