Alba und Albion
…“ Verschwörerisch beugte sie sich zu mir herab. „Am schlimmsten sind aber die älteren Damen. Ständig klingeln sie nach uns. Mädel, bring’ mir dies, Mädel, bring’ mir das …“
Gerade wollte ich sie bitten, mir mein Kleid aus der Waschküche zu holen, doch jetzt hielt ich es für besser, noch einen Tag damit zu warten.
„Dann sag Misses Campbell, daß ich sehr erfreut wäre, sie heute zu besuchen. Aber vorher möchte ich dich um etwas bitten.“
Fragend sah sie mich an und ich grinste frech.
„Hilfst du mir noch in das Kleid oder soll ich jemand anders fragen?“
Natürlich hatte sich Molly dazu herabgelassen, mir beim Ankleiden zu helfen. Danach führte sie mich im Eilschritt durch das Labyrinth aus Gängen und Treppenstufen zu den Räumen der Burgherrin. Sie klopfte kurz und schob mich dann ungeduldig hinein.
„Oh! Was für eine Überraschung! Wie schön, Sie zu sehen, Lady MacDonald!“
Mit aufrichtiger Freude kam sie mir entgegen, küßte mich links und rechts auf die Wange und zog mich in die Mitte des Zimmers. Sanft drückte sie mich mit ebensolcher leiser Gewalt in einen der niedlich gepolsterten Stühle vor dem knisternden Kamin.
Obwohl es noch ziemlich früh am Morgen war, war sie komplett bekleidet, ihre Haare gerichtet und der Tageszeit angemessen.
„Haben Sie schon gefrühstückt? Ich lasse es mir gerne etwas später bringen, wenn meine drei kleinen Teufel sich von mir verabschiedet haben.“ Sie lächelte. „Nur der Kleinste wollte heute partout nicht von mir weichen.“
Suchend blickte ich mich in ihrem Salon um, konnte aber keine weitere Person oder Persönchen entdecken.
Sie beugte sich zu mir herüber und drückte meinen Arm. „Er liegt im Nebenzimmer. In meinem Schlafgemach.“
„Ah.“
„Aye. Kinder sind etwas sehr Schönes, wenn sie einen erst einmal wieder in Ruhe lassen.“ Sie lachte und ich stimmte heiter mit ein.
„Ja. Ich mag Kinder auch gerne. Zuhause“, ich schluckte an den Gedanken daran, „habe ich ihnen gerne Geschichten erzählt.“
„Wirklich? Mir fällt nie eine ein, wenn sie mich darum bitten. Was erzählen Sie ihnen denn?”, fragte sie mit neugierigem Blick.
„Ach, nichts besonderes. Es sind Geschichten von Zwergen, Brownies, Geschichten aus der Gegend“, ich lächelte in mich hinein, „solche Dinge eben.“
„Brownies? Das ist schön.“ Sie nippte an ihrer Tasse und sah mich eindringlich an, was mich etwas verunsicherte und ich hielt mich wieder an meiner Tasse fest.
„Sie sind noch nicht lange verheiratet. Aber wenn ich Sie so betrachte, merke ich, daß sie sich auch ein Kind wünschen.“
Ich versenkte schüchtern meine Nase in den Tee.
„Ja, das möchte ich schon. Irgendwann, wenn wir in Armadale sind.“
„Das ist sehr klug von Ihnen. Denn so wie es aussieht, werden sie uns noch länger ertragen müssen.“
Trotz des niederschmetternden Gedanken lachten wir und ob der gelassenen Stimmung wagte ich einen Vorstoß.
„Was denken Sie, für wie lange noch?“
„An eine Weiterreise ist bestimmt nicht vor der Schneeschmelze zu denken. Schon wegen dem widrigen Wetter nicht.“
„Ach ja?”, fragte ich dünn. Nun hatte sie mir bestätigt, was ich insgeheim schon wußte.
Sie tippte an ihren Hals. „Wie ich sehe, gefällt Ihnen die Kette.“
„Oh!“ Zaghaft berührte ich sie. „Ja. Sie ist wunderschön. Ich bedanke mich recht herzlich dafür. Vielen, vielen Dank.“
„Im Grunde gehört sie ja auch Ihnen, schließlich ist sie von einer Vorfahrin mütterlicherseits.“
„Ja, Robbie, ich meine Mister MacDonald, hat mir die Geschichte mit dem Seehund erzählt. Einfach zauberhaft.“
„Aye, das ist sie.“
Gemeinsam führten wir unser Frühstück zu Ende, unterhielten uns, tratschten über die anderen Gäste und bemerkten, daß wir auf der gleichen Wellenlänge schwammen. Wir verstanden uns prächtig.
„Jetzt weiß ich, was Robbie an Ihnen so schätzt und warum er sie geheiratet hat“, sagte sie plötzlich und sah mich freundlich an, daß ich erstaunt den Kopf hob.
„Ja?“
„Es ist eine Seelenverwandtschaft, die euch verbindet“, sagte sie leise und sah mich liebevoll an. „Ihr seid aus dem gleichen Holz geschnitzt, werdet niemals ohne den Anderen weiter existieren können, wenn Einem von Euch etwas zustößt. Wenn Er stirbt, sterben Sie auch.“
Ich schluckte. Sie hatte Recht und das gleiche hatte Robbie mir auch schon gesagt. Die ganzen Monate hatte ich nach dem Grund gesucht, warum ich ihn so sehr
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