Alba und Albion
ich sein schmerzverzerrtes Gesicht nicht sah und ich beugte mich über ihn, küsste ihn sanft in seine Halsbeuge, auf seine Wange, drehte seinen Kopf wieder zu mir und küßte seine Augen, seine Stirn, seine aufgeplatzten Lippen.
„Sag’ jetzt nichts mehr. Schlaf’ ein wenig, ich bin da.“
„Nein. Wenn ich schlafe, sterbe ich vielleicht. Ich möchte dich ansehen, mir jedes Detail von dir einprägen und dann in den Himmel mitnehmen“, hauchte er.
„Quatsch“, fuhr ich ihn mit rauher Stimme an. An so etwas sollte er nun wirklich nicht denken und ich verdrängte diese Möglichkeit, seit ich auf dem Weg zu ihm war.
„Du stirbst nicht. Wir pflegen dich wieder gesund und dann reisen wir zu dir nach Hause, zu deiner Familie. Nach Armadale.“
Vorsichtig versuchte ich, ihm etwas von dem warmen Tee einzuflösen, hob leicht seinen Kopf, doch er wand sich in Schmerzen, daß ich nur seine Lippen mit einem Tuch anfeuchtete. Erschöpft schloß er die Augen.
„Du wirst wieder gesund“, flüsterte ich, „hörst du?“
Nun brach auch meine Stimme und schluchzend wandte ich mich ab. Seamus, der bisher still im Sessel wartete, trat aus dem Schatten hervor und legte seine wuchtige Hand auf meine Schulter.
„Komm, Mädel. Leg dich ein wenig hin, ich paß’ auf ihn auf. “
„Nein!“, rief ich und wischte seine Hand weg. „Ich habe es ihm versprochen.“
„Tu, was er sagt, mein Herz. Ich warte solange auf dich, bis du wieder wach bist.“ Er versuchte ein leichtes Lachen, was jedoch in einem erbärmlichen Hustenanfall endete. Um ihn zu beruhigen, legte ich meine Hand auf seine Stirn, streichelte wieder seinen Kopf, sein Gesicht und schließlich war er eingeschlafen, wie ich an seinem gleichmäßigem Atem erkannte.
„Leg’ auch deinen Kopf nieder, Mädel. Er hat jetzt so lange ausgehalten, da wird er nicht in den nächsten Minuten sterben.“
Er half mir auf die Beine, führte mich an den Kamin und drückte mich mit sanfter Gewalt in einen Sessel.
„Wirf’ dir den Umhang um, dann kannst du besser schlafen und keine Sorge, wenn etwas ist, wecke ich dich.“
Als er mein mißtrauisches Gesicht sah, fügte er hinzu, „Ich gebe dir mein Wort als gehorsamer Untertan! Mehr kann ich nicht tun.“
„Du hast recht. Danke, Seamus.“
Ich rutschte in dem unbequemen harten Sessel hin und her, in der Hoffnung, doch noch eine einigermaßen bequeme Lage zu finden und nach wenigen Minuten schlief ich tatsächlich vor Erschöpfung ein.
47
Rettung naht
„Susanna.“
Ich öffnete die Augen und sah in das besorgte Gesicht meines Gefährten.
„Wir brauchen einen Arzt!“
Schlagartig war ich wach. „Geht es ihm schlechter?“
„Aye. Er phantasiert. Er hielt mich für seine Mutter.“
In einer anderen Situation hätte ich darüber gelacht, doch hier ging es um das Leben meines Gatten. Ich kniete mich an seine Seite und kühlte seine Stirn, die heiß und rot war.
Lady McDiar hatte anscheinend einen lichten Moment und kochte in der Küche Tee, den sie uns mit traurigem Gesicht einschenkte und in schmucken Tassen überreichte.
„So liebte mein Mann den Tee am meisten. Mit viel Zucker und Sahne.“ Schluchzend hielt sie sich an ihrer Tasse fest und ich drückte ihr beruhigend den Arm. Ich wandte mich an Seamus.
„Gut. Dann reite ins Dorf und hole Einen.“
Er nickte. Mit einem Blick auf Stromer, der sich schon freudig schüttelte, bei der Aussicht auf Auslauf, meinte er: „Den Köter laß’ ich dir da. Zum Schutz.“
Er war weg und ich begann zu beten.
„Bei allen Heiligen, nehmt ihn mir nicht weg! Ich brauche ihn, sein Kind braucht ihn“, schluchzte ich leise in den Kerzenschein, während ich seine Haare streichelte und auf die unregelmäßige Atmung von Robbie horchte. „Gebt uns noch ein paar Jahre! Ich flehe euch an.“
Bei diesen Worten brach ich schluchzend zusammen, daß Stromer tröstend seinen Kopf auf meinen Schoß legte. Lady McDiar starrte mich einige Zeit an und weinte dann in stiller Zweisamkeit mit mir.
Seamus kam schneller wieder zurück, als ich erwartet hatte.
„Du hattest kein Glück?”, fragte ich niedergeschlagen.
„Doch. Ich habe einen mitgebracht. Allerdings ist er ein -“
„Was?”, fragte ich aufgebracht. Ich hatte einfach keine Geduld mehr und schob mich an ihm vorbei.
„Er ist ein Kundiger der Medizin, sagt er, aber kein Engländer oder Schotte.“
„Wo ist er?“
Seamus brüllte zur Tür hinaus. „Hej, Jude! Komm’ her! Hier wirst du gebraucht!“
Ich
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