Alba und Albion
schon den Bauch. „Zu essen, zu trinken und ein Plätzchen für ein Nickerchen.“
„Hab’ aber nur noch Reste von gestern. Da war hier eine Hochzeit. Und etwas Ale ist auch noch da.“
„Gut. Nehmen wir.“
Stromer ließ sich wieder zu meinen Füßen nieder und lag mit geschlossenen Augen und gespitzten Ohren unter dem Tisch. Ebenso langsam schlurfte die Wirtin zurück in einen Nebenraum und kam schließlich vollbeladen mit dampfenden Speisen zurück.
„Oh“, rief ich entzückt, „so viele gute Sachen! Danke, Madam.“
Sie zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe, sah mich an und lächelte mich zahnlos, nun aber freundlich an.
„Ist schon eine Weile her, daß mich jemand von Ihrem Stand so respektvoll behandelt hat.“ Gemächlich lud sie das Tablett ab und verteilte die gefüllten Teller und Schüsseln auf dem Tisch.
„Ich bin nämlich die Tochter eines Gutsherrn in der Gegend.“ Sie seufzte. „Allerdings war ich so dumm, einen Bauernburschen zu heiraten und jetzt -“
Sie blickte sich im Raum um. „Jetzt sitze ich im Dreck.“
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte und Seamus machte sich bereits über die Speisen her, brach das Brot und trank geräuschvoll aus dem Krug. Das Tablett war nun leer und sie drehte sich kommentarlos um, schlurfte mit kaputtem Schuhwerk zurück in den Nebenraum.
Während ich aß, dachte ich über die Frau nach. Ich blickte lange Seamus an, wie er mit dem Appetit eines Bären Schüssel für Schüssel leerte, den Krug mit Ale hinterher schüttete und wurde fast wehmütig bei dem Gedanken, daß das Schicksal manchmal so grausam war.
„Seamus“, flüsterte ich.
„Was?“
„Ich finde es ungerecht, dass diese junge Frau hier hausen muß, während ein Chief im Luxus leben darf, mit einer Burg, Diener, schönem Mobiliar …“
„Ist bei uns eben so.“
„Aber warum? Warum kann ein Chief sein Hab und Gut nicht gerecht auf seine Leute aufteilen?“
„Sie sind für sich selbst verantwortlich. Jeder hat die Möglichkeit, durch Arbeit was zu schaffen. Aber die meisten Bauern versaufen die paar Pennies, die sie verdienen. Das ist der Grund.“ Er wies mit seinem Löffel auf mich. „Und du wirst nichts daran ändern können.“
„Du hast recht.“
„Greif’ zu, solange noch was da ist.“
Ich sah mir die Schüsseln an. Wenn ich noch länger wartete, würde ich tatsächlich nicht mehr viel bekommen. Seamus leistete ganze Arbeit.
„Meinst du, wir schaffen es heute?“
„Nein.“
„Ist da gar keine Chance?“
„Weit ist es nicht mehr, aber die Pferde brauchen ihre Ruhepausen.“
„Seamus! Wir müssen es heute schaffen“, schluckte ich und mein Kinn begann zu beben.
„Reiß’ dich zusammen. Was ich überhaupt nicht ausstehen kann, ist ein flennendes Frauenzimmer.“
„Ich kann aber nichts dagegen tun“, schniefte ich und versuchte vergeblich, meine Tränen am Rock zu trocknen, denn unverzüglich kamen die Nächsten nach.
Seamus stand auf und ging zu der Wirtin, besprach etwas und sie nickte. Dann kam er zu mir an den Tisch zurück, zog mich grob in die Höhe.
„Du gehst jetzt nach oben und ruhst ein wenig. Ich versuche indes, neue Pferde zu bekommen.“
„Ich komme mit. Ich kann sowieso nicht schlafen.“
„Du bleibst hier und legst dich hin!“
Hastig warf er sich seinen Plaid um und verschwand in der Kälte, bevor ich ihm nacheilen konnte.
Der Abend brach bereits herein.
Seit Stunden saßen wir nun schon im Sattel und Seamus ritt langsam voraus. Wir mieden die öffentlichen Wege und bewegten unsere Pferde durch die Wälder und über kleine Feldwege. Dann bog er ab, ein schmaler gepflasterter Weg tat sich vor uns auf und am Ende des Weges stand das Haus.
Endlich!
Wir waren am Ziel! Hier würde ich meinen geliebten Mann finden und ihn nicht mehr verlassen. Wenn er noch lebte.
Das Haus sah von außen recht geräumig aus, ein freundliches Cottage mit einem sehr großen, jetzt verschneiten Vorgarten, einem Stallgebäude und es sah genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Seamus sprang geschmeidig aus dem Sattel, trat an mir vorbei zur Tür und betätigte vorsichtig den Klopfer.
Tock! Tock! Tock!
Niemand öffnete.
„Hallo? Lady McDiar? Mylord McDiar?“
Er blickte mich an.
„Das ist aber komisch.“ Er betätigte den Türknauf etwas fester und die Tür sprang auf. Stromer knurrte leise.
„Seltsam.“
Als wir eintraten, bemerkte ich sofort diesen süßlichen Geruch und ein ungutes Gefühl übermächtigte sich
Weitere Kostenlose Bücher