Alba und Albion
wandte mich wieder Robbie zu, der erneut in seine Bewußtlosigkeit gerutscht war und bemerkte nicht die leise Gestalt, die hinter mir stand.
„Wie lange ist er schon in diesem Zustand?“
Die sanfte Stimme ließ mich aufblicken und ich sah in das Gesicht eines jungen Mannes mit olivfarbener Haut, gekleidet in ein langes schwarzes Gewand, einem breitkrempligen Hut und zwei lustige dicke Locken baumelten an jedem Ohr herunter.
„Mach’ ja deine Arbeit gut, sonst schneid’ ich dir die Kehle durch!“ Wie zur Bestätigung saß Stromer neben Seamus und bellte zustimmend.
„Huch!“
Entsetzt wich Lady McDiar etwas von Seamus ab, der ihr freundlich die Hand tätschelte.
„Keine Angst, Muttchen. Ich tu’ dir nichts.“ Er kraulte Stromer hinter den Ohren. „Und der ist auch ganz brav.“
„Es ist gut, Seamus.“
Ich stand auf und wandte mich mit ernster Miene an den Herrn. „Bis vor ein paar Minuten war er ansprechbar. Können Sie ihm helfen?“
„Dafür müßte ich ihn mir erst einmal genauer ansehen, wenn Sie erlauben, Madam.“
„Bitte.“
Ich trat zurück, stand nun neben Seamus und Lady McDiar, die sich sofort bei mir einhängte und das war gut so, da ich vor Angst wackelige Knie hatte. Seamus dagegen hielt mich an einer Schulter fest, damit ich nicht umkippte und knurrte in sich hinein. „Ich hab leider keinen Arzt gefunden, nur diesen Heini hier.“
„Wenn er Robbie hilft, dann ist er mir willkommen.“
Mit unendlicher Sanftheit strich der Fremde über Robbies inzwischen fiebergeplagten Körper, fühlte den Puls, horchte mit einem Rohr den Rücken ab, öffnete Robbies Mund und roch an seiner Wunde. Zeitweise unterbrach er seine Tätigkeit, um Fragen an uns zu stellen.
„Wann hat er das letzte Mal Wasser gelassen?“
„Hat er etwas gegessen oder getrunken?“
„Wie oft hat er sich in der letzten Stunde übergeben?“
Und jedes mal mußte ich eine niederschmetternde Antwort geben. Der Fremde stand auf und trat zu mir. Mit verschlungenen Fingern begann er zu sprechen.
„Ich will ehrlich mit Ihnen sein. Es steht nicht gut. Das Fieber ist hoch, die Wunde brandig und er ist extrem ausgetrocknet. Zu aller erst würde ich vorschlagen, dass wir ihn kühlen, dann Wasser einflößen. Wenn es sein muß, mit Gewalt.“ Dabei sah er Seamus auffordernd an. „In der Zwischenzeit werde ich die Wunde versorgen.“
Abwartend starrte er mich an und ich war erstaunt von seinem Vorschlag.
„Sie wollen keinen Aderlaß machen?“
Er lachte leise. „Oh nein, Madam, davon halte ich nicht viel. Ihr Gatte ist bereits durch den hohen Blutverlust zu geschwächt. Bei dem nächsten Aderlaß würde seine Seele mit herausfließen.“
Entsetzt hielt ich mir die Hand an den Hals und lehnte mich an Seamus, der mich noch etwas fester hielt. Der Jude schritt gemächlich an uns vorbei zur Tür und drehte sich noch einmal um.
„Madam, bitte kühlen sie ihn mit Schnee, versuchen Sie, daß er trinkt. Ich werde in Kürze mit Medizin zurückkommen.“
Er verbeugte sich demütig und war wieder weg, als ich Seamus erstaunt ansah.
„Meinst du, er kommt zurück?“
„Das rate ich ihm“, knurrte er, „wenn nicht, dann hole ich ihn. Los, machen wir, was er gesagt hat, auch wenn ich Juden nicht über den Weg traue.“
Wir hüllten ihn in Schnee, dass er zu zittern anfing, zeitweise öffnete er seine fiebrigen Augen und trank auch ein paar Schluck Wasser, die er aber nicht länger als ein paar Minuten behalten konnte.
Der Fremde kam nicht zurück und ich wurde extrem unruhig, was schon bald in Hysterie ausartete. Wie ein gefangenes Tier wanderte ich nun vor der Eingangstür auf und ab, hinter mir eine aufgeregte Lady McDiar, die sich freute, daß wir Besuch erwarteten, horchte auf das Klappern von Pferdehufen, die seine Rückkehr ankündigten, doch nichts erfüllte die nächtliche Luft.
Enttäuscht und verbittert trat ich fröstelnd in den Salon zurück. Seamus hob kurz den Kopf, sah meinen Blick und fuhr damit fort, Robbie zum Trinken zu bewegen.
„Komm, Junge, du mußt trinken, um deiner Frau willen! Um deines Kindes willen! Komm schon!“
Ich horchte auf. Noch hatte ich nicht den Mut gehabt, Robbie selbst von seiner bevorstehenden Vaterschaft zu erzählen. Ein leiser Groll machte sich in mir breit.
„Was?”, hauchte mein Gatte. „Vater? Ich?“
Wenigstens war er jetzt bei einigermaßen klarem Verstand und begriff den Sinn von Seamus’ Worten. Mit geschwollenen und geröteten Augen versuchte er, den Kopf
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