Alba und Albion
… zu den Sternen“, flüsterte ich zärtlich zurück.
Er lächelte mich liebevoll an und kurze Zeit später ritten wir gemeinsam nebeneinander aus dem Grundstück in Richtung weite Welt.
9
Der kleine Thomas weilte noch immer bei seiner Familie, da seine Mutter inzwischen verstorben war. Robbie ging sofort hin und half dieser bemitleidenswerten Familie mit seiner Muskelkraft, wo immer er sie einsetzen konnte. Das fand ich sehr ritterlich von ihm, auch wenn er nun nicht mehr so viel Zeit mit mir verbringen konnte.
Die Stunden, die ich mit Robbie im Geheimen verbrachte, empfand ich als die reinste Wonne. Jeden Abend fieberte ich dem nächsten Treffen mit ihm entgegen. Sobald wir uns trennten, sehnte ich mich zurück in seine Nähe, in seine Umarmungen, zurück zu seinen heißen Küssen. Wenn wir uns zufällig begegneten, waren wir selbst mit den Blicken sehr vorsichtig, damit niemand Verdacht schöpfte. Und falls es eine Möglichkeit gab, unauffällig hinter einer Türe oder einem Busch zu verschwinden, so taten wir es. Und trotzdem, außer Küssen und zaghaften Berührungen passierte nichts. Er war sehr einfühlsam.
Doch ich wußte, es konnte nicht von Dauer sein. Das schmerzhafte Ende war für uns beide abzusehen, aber wir ignorierten es.
Die Feste gingen währenddessen weiter, was mich langsam anstrengte.
Da sich die Gentlemen mit ihren Damen in der heißen Jahreszeit zur Sommerfrische von der Stadt auf das Land zurückzogen, gab es fast täglich ein Fest, nur diesmal aus einem anderem Anlaß, der mich und Stephen in den Mittelpunkt stellte und niemand wollte mit seinen Glückwünschen hinter dem Anderen nachstehen. Es war eine sehr aufwühlende Zeit und ich fühlte mich nicht so ganz wohl in meiner Haut, führte ich doch in gewissem Sinne ein Doppelleben.
Mutter meinte, daß man mir die Anstrengung inzwischen ansah und sie entschied, daß ich einige Zeit eine Ortsveränderung gut gebrauchen konnte, was mir im Grunde auch gelegen kam. Es wurde Zeit, daß ich mit meinen Gefühlen endlich wieder ins Reine kam.
Schließlich wurden meine Koffer gepackt und mit Mary im Schlepptau fuhr ich in unserer komfortabelsten Kutsche Richtung London. Mit einen weinendem Auge verließ ich Taylorgate, da ich mich nicht von Robbie verabschieden konnte. Doch ich kam ja wieder zurück. Ich wußte nicht, wie ich mit der Tatsache meiner Vermählung umgehen sollte, liebte ich doch einen Anderen. Stephen konnte ich gut leiden und genoß seine Gesellschaft. Was für ein Dilemma, in dem ich steckte! Ich mußte versuchen, das Beste daraus zu machen. Und so tröstete mich der Gedanke an Marys Begleitung. Mir fiel auf, daß sie mich ständig im Visier hatte, doch scheute ich mich davor zu fragen, warum sie mich so anstarrte.
Also gut, dann ging es jetzt eben nach London. Dort würde ich für die Zeit bis zur Hochzeit bei Tante Emily, einer Schwester meines Vaters, wohnen, für die er mir ein Schreiben mitgab. Sie besaß ein geräumiges Stadthaus in einem noblen Vorort der Stadt und vor etlichen Jahren hatte ich sie mit meiner Mutter besucht. Ihre sehr strengen Ansichten störten mich nicht. Ich war viel zu aufgeregt! Endlich rührte sich etwas in meinem bisher ruhigen und eher überschaubaren Leben!
Die Fahrt hingegen war alles andere als angenehm. Anfangs empfand ich das Schaukeln und Rütteln im Inneren der Kutsche als beruhigend, doch als wir am nächsten Tag wieder einstiegen, um die Fahrt fortzusetzen, spürte ich jeden einzelnen Knochen, trotz der gepolsterten Kissen. Genervt nahm ich Mary gegenüber Platz.
„Was glaubst du, wie lange werden wir noch unterwegs sein?“
Unruhig rutschte ich hin und her. In dieser körperlichen Verfassung eine angenehme Sitzposition zu finden, fiel mir nicht leicht.
Sie schnaufte schwer.
„Ich denke, bis zur Dunkelheit werden wir in London eintreffen und dann ist es nicht mehr weit.“
Ich konnte mich daran erinnern, daß meine Tante in einem relativ neu errichteten Viertel in einem Außenbezirk der Stadt wohnte. Gelangweilt sah ich nach draußen.
Die Bäume zogen gemächlich an uns vorbei und der langsam beginnende Herbst hatte einzelne Blätter bereits in erste bunte Farben getaucht. Wir überquerten kleine Steinbrücken, knatterten über wackelige Holzstege, rollten rasant an verstreuten Hütten vorbei und holperten über staubige Wege durch tiefe Schlaglöcher. Ab und zu überholten wir ein Fuhrwerk, das so schnell wie möglich den Weg freimachte und am Straßenrand anhielt. Hier
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