Alba und Albion
schwungvoll um, was mir ein leises Kichern entlockte und blieb an der Tür stehen. Entnervt blickte sie auf mich herab, seufzte und strich sich den Rock glatt, bevor sie antwortete.
„Kind, das ist eine sehr persönliche Frage. Aber ich gebe dir die Antwort. Es waren gute und es waren schlechte Tage dabei. In der Erinnerung überwiegen aber meist nur die Guten. Es ist in jeder Ehe das Gleiche. Der Eine gibt, der Andere nimmt. Es liegt an dir, welche Tage am Ende überwiegen, wenn du dich für den richtigen Ehemann entscheidest.“
Stephen saß zappelig auf dem Sofa und erhob sich blitzschnell, als wir durch in das Zimmer schritten und in seiner Kleidung aus hellblauen Samt sah er prächtig aus. Ich strahlte ihn an und sein Lachen kam zurück. Dann zog er ein kleines hübsch verschnürtes Päckchen hinter sich auf dem Sofa hervor und trat energischen Schrittes auf uns zu. Ich streckte ihm meine Hand entgegen, um das Geschenk in Empfang zu nehmen, doch er ging an mir vorbei. Mir blieb der Mund offen stehen.
„Lady Brenton, ich erlaube mir, mich mit diesem Besuch als zukünftiger Ehemann Ihrer lieblichen Nichte Susanna Taylor vorzustellen.“ Mit einer vollendeten Verbeugung überreichte er ihr das Päckchen. Erstaunt nahm sie es entgegen und setzte sich.
„Nehmen Sie Platz, Sir Miller. Ich habe inzwischen einiges von Ihnen gehört. Und ob meine Nichte lieblich ist, wäre noch herauszufinden.“
Ihr strenger Blick irritierte mich und so setzte ich mich unauffällig an den Schreibtisch hinter sie. Von hier aus konnte ich Stephen unverhohlen ansehen und wieder stellte ich fest, daß er gut aussah. Ein Sonnenstrahl ließ sein Haar wie glänzendes Gold aussehen und ich fühlte mich augenblicklich stolz, bald seine Frau zu sein. Inzwischen führte er mit Tante Emily ein unverfängliches Gespräch über seine Familie, die Feierlichkeiten anläßlich der Hochzeit von Doreen, unserer Verlobung, bei der sie eine Augenbraue hochzog. Ansonsten veränderte sie nie ihre steinerne Miene. Plötzlich stand sie auf.
„Sir Miller, ich muß gestehen, anfangs war ich nicht sehr erfreut darüber, daß meine Nichte nun des Öfteren Herrenbesuch haben würde. Doch ich denke, in Anbetracht der Umstände, daß sie der Sohn von Lady Miller sind, die ich übrigens sehr gut kenne und schätze, ich mich unbesorgt zurückziehen kann. Einen schönen Tag noch.“
Ich blickte ihr erstaunt nach. Sie schloß leise die Tür hinter sich und ich wandte mich an Stephen. Verschwörerisch beugte ich mich zu ihm hinüber.
„Gestern wurden mir von ihr die Hausregeln erklärt, die unter allen Umständen einzuhalten sind“, raunte ich ihm kichernd zu. „Und jetzt ist sie es, die sie bricht.“ Ich senkte meine Stimme zu einem Flüstern. „Ist das nicht schrecklich wankelmütig?“
Er starrte mich an. „Sie hat gedacht, ich -“
Langsam nickte ich ihm zu. Dann brach er in ein schallendes Gelächter aus, in das ich ausgelassen einstimmte.
Hinter der geschlossenen Salontür konnte man hören, wie sich rauschende Röcke schnell entfernten.
10
Klatsch, Tratsch und alte Herzensangelegenheiten
Wir waren fast jeden Tag zusammen.
Es ließ sich nicht vermeiden, da wir meist eine Einladung annehmen mußten. Jeder wollte die zukünftige Frau an der Seite des begehrtesten und reichsten Junggesellen von London zu Besuch haben. Wenn wir Glück hatten, gab es nur einen Besuch am Nachmittag, doch meist wurde uns zu Ehren eine richtige Abendgesellschaft mit Dinner und Tanz ausgestattet. Ich hätte stolz sein sollen, eine so gute Partie erwischt zu haben. Sogar der Hochzeitstermin war bereits festgelegt. In sechs Wochen würde ich Lady Susanna Maria Catherine Taylor Miller sein. Eine der reichsten Damen in England!
Mary überbrachte täglich kleine Botschaften und Briefchen, von denen ich ebenfalls überhäuft wurde. Zuerst dachte ich, ich könne es ihr nicht zumuten, ständig auf den Beinen zu sein und meine Nachrichten zu überbringen. Doch sie freute sich, daß ich in dieser Stadt so schnell viele Freunde gefunden hatte und forderte mich jeden Morgen auf, ihr die kleinen Mitteilungen auszuhändigen.
Wenn Stephen einmal keine Zeit hatte, bekam ich Besuch von jungen Damen und dann tratschten wir hinter vorgehaltener Hand was das Zeug hielt, was Tante Emily nur ein verschwiegenes Lächeln entlockte.
Sogar die Tochter einer privaten Kammerzofe der Königin von England konnte ich meine Freundin nennen. Louise
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