Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
können wir mit Sicherheit ausgehen«, Renan reichte das Bild Irinas Mutter. »Sie wissen ja, dass ich Polizistin bin. Dieser Mann steht in Zusammenhang mit einem meiner Fälle und wir konnten ihn leider bisher nicht identifizieren.«
»Wenn Sie wollen, fragen wir gerne noch andere Leute«, bot Frau Balenkow an, »wir kennen viele. Mein Mann kann auch zum Güterbahnhof gehen und ich kann im Wohnheim fragen, wo wir zuerst gelebt haben …«
»Das ist sehr nett«, lächelte Renan, »aber das muss ich schon selbst tun. Auf jeden Fall vielen Dank für die Tipps. So, jetzt muss ich aber wirklich gehen.«
»Wenn du mir noch so ein Bild gibst, kann ich auch meinen Bruder fragen«, sagte Irina.
»Gute Idee. Du kannst das hier behalten. Und lass dich nicht so ausbeuten von den zwei Sklaventreibern«, sie wuschelte der Kleinen zum Abschied in den Haaren.
»Es hat uns sehr gefreut, Frau Müller«, die Mutter begleitete Renan zur Tür, »und sagen Sie uns, wenn wir Ihnen doch helfen können. Auch wenn Sie nur einen Übersetzer brauchen.«
»Ja«, Renan hielt kurz inne, »darauf komme ich vielleicht wieder zurück. Danke!«
III. MÄNNERWIRTSCHAFT
Die Arbeitswoche begann für Renan mit entsetzlichem Muskelkater. Sie hatte das private Autofahren schon vor einiger Zeit aufgegeben. Einerseits war es ihr zu teuer und andererseits zu nervig. Unberechenbare Verkehrsteilnehmer und eklatante Parkplatznot erleichterten ihr die Entscheidung, nur noch Fahrrad zu fahren. Heute hasste sie sich dafür. Ihre Beine schmerzten infernalisch vom dauernden Hinknien und wieder Aufstehen im Schauspielhaus. Im Präsidium angekommen, benutzte sie sogar den Aufzug in den zweiten Stock. Sie fand Alfred in ein Rundschreiben der Gewerkschaft vertieft. Ansonsten herrschte die übliche Montagmorgen-Atmosphäre: Die Kaffeemaschine brodelte, das Radio schepperte und die Neonröhren blendeten. Es würde abermals ein heißer Sommertag werden.
»Guten Morgen«, sagte Alfred leicht vorwurfsvoll, als sie die Deckenbeleuchtung ausschaltete. Er wirkte gut erholt. Unter seinem lichtgrauen Sommersakko trug er ein frisch gebügeltes dunkelgrünes Hemd. Zudem war er ein Typ, der schon nach fünf Minuten an der Sonne tiefbraun wurde. Für sein Alter eine ganz stattliche Erscheinung, nur mit dem Aftershave hatte er es mal wieder übertrieben.
»Morgen«, entgegnete sie, humpelte zu seinem Schreibtisch und knipste die kleine Lampe an, »so ist es besser!«
»Hast du dich verletzt, Kollegin?«
»Wie würde es dir gehen, wenn du zwei Tage in einem Arbeitslager verbracht hättest?«
»Ich würde mich wahrscheinlich sehr zufrieden und ausgeglichen fühlen. Körperliche Arbeit hat meist den Vorteil, dass man sehr schnell Ergebnisse und Erfolge sieht, ganz im Gegenteil zu unserer Tätigkeit hier. Und gegen Muskelkater hilft tschechischer Franzbranntwein!«
»Witzig!«
»Ich meine das ernst. Morgen bringe ich dir eine Flasche mit.«
»Sehr freundlich«, Renan ließ sich auf ihren Stuhl fallen und rieb sich die Oberschenkel, »gibt’s was Neues?«
»Unser zuständiger Staatsanwalt – Herr Klatte – ist wohl ernsthaft erkrankt.«
»Womöglich hat ihm beim Golfspielen wieder ein Ball am Kopf getroffen«, der Gedanke daran, wie dieser arrogante Fatzke von einer kleinen weißen Kugel gefällt wurde, amüsierte sie so sehr, dass sich ihre Stimmung abrupt zu heben begann.
»Ja, das war früher beim alten Eckstein noch anders«, erinnerte sich Alfred, »der hat sich jeder sportlichen Betätigung enthalten und war meines Wissens nicht einen Tag krank. Manchmal könnte einem himmelangst werden, wenn man sieht, was da so nachkommt.«
»Na ja, vielleicht hast du ja Glück und diese rassige Schwarzhaarige wird auf den Fall angesetzt«, neckte Renan, »du weißt schon, die, in deren Gegenwart du dich immer so affig benimmst.«
»Ich pflege ein gutes, aber ausschließlich kollegiales Verhältnis zu Staatsanwältin Schwarz«, entrüstete sich Alfred.
»Jaja«, Renan winkte betont energisch ab, »hat sich sonst noch was getan am Wochenende?«
»Mir ist am Samstag noch eingefallen, dass Schmidt und Heinrich bis heute im Urlaub sind«, Alfred ging zur Kaffeemaschine und schenkte sich eine Tasse ein. Auf dem Weg zurück zu seinem Schreibtisch blieb er vor dem Spiegel über dem Waschbecken stehen und zupfte seinen Hemdkragen zurecht.
»Und?«, fragte Renan.
»Wir haben doch routinemäßig die anderen Abteilungen informiert und um Überprüfung des Fotos von unserem toten
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