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Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Titel: Albach und Mueller 01 - Russische Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bronnenmeyer
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kam der höchste Neueinstieg. Von null auf drei: das Remake einer uralten Schote von Modern Talking.
     
    Nikolai stand wieder mal am Güterbahnhof. Gesprochen wurde kaum. Ein zentraler russischer Charakterzug war, dass man zwar reden konnte, es aber nicht unbedingt tat. Er stand schon seit sechs Uhr früh an dieser Ecke und rauchte. Die anderen um ihn herum taten dasselbe. Er kannte die meisten vom Sehen und von gelegentlichen Unterhaltungen. Er wusste ihre Vornamen und die erlernten Berufe der Männer. Der Rest war sowieso mehr oder weniger identisch. Was machte es da für einen Sinn, sich Lebensläufe zu erzählen? Sie waren alle in der Sowjetunion geboren, ihre Eltern waren von Stalin nach Kasachstan oder Sibirien deportiert worden. Dort hatten sie ein normales Leben geführt, ohne Chancen auf einen gesellschaftlichen Aufstieg, ziemlich früh geheiratet, Kinder bekommen und ihre Arbeit gemacht. Das Leben war geprägt von Routine, Mangel, Improvisation und einem seltsamen Gefühl von Geborgenheit. Als sie hierher gekommen waren, war eigentlich alles gleich geblieben, nur die Geborgenheit war der intensiven Empfindung von Unsicherheit gewichen und dem dunklen Verdacht, absolut unwichtig und überflüssig geworden zu sein. In diesem Land wurden keine Knochenarbeiter und keine Improvisationskünstler gebraucht, sondern Maulaffen. Die Männer hatten über Jahrzehnte Traktoren und Maschinen am Laufen gehalten mit nicht viel mehr als ein paar Metern Draht, drei verrosteten Schraubenschlüsseln und einem Vorschlaghammer mit selbst geschnitztem Stiel. Sie hatten ihren Platz in der Welt gehabt und konnten ihre Familien ernähren. Die Frauen waren mit wenig zufrieden gewesen und über Gefühle brauchte nicht gesprochen zu werden. Hier sorgte ein Amt für Frauen und Kinder und die Männer hatten nie gelernt zu reden. Auch ein Arbeitsloser konnte seine Familie lieben, aber wie verdammt noch mal sollte man das ausdrücken?
    Die Routine am Güterbahnhof war heute durch einen Mann und eine Frau unterbrochen worden. Polizisten. Sie zeigten den Männern ein Bild von Drugajew und versuchten, Informationen über ihn zu bekommen. Der Mann hatte ein gelbes Wörterbuch dabei und sprach ein paar Worte Russisch mit grauenhafter Betonung, aber auch das hatte ihnen nichts geholfen. Seine Landsleute waren noch einsilbiger als sonst und auch er hatte vorgegeben, kein Deutsch zu verstehen. Kurz gezuckt hatte er nur, als der Mann auch noch ein Foto von Jewgenji aus der Tasche zog und es ihm unter die Nase hielt. Er hatte aber auch da nur den Kopf geschüttelt und die beiden möglichst gleichgültig angesehen. Es beunruhigte ihn ein wenig, dass die Polizei so schnell auf diesen Zusammenhang gestoßen war. Auch wenn er es innerlich nie ausgeschlossen hatte, hatte er doch damit gerechnet, dass sich keiner mehr an diese alte Geschichte erinnern würde – aber im Prinzip war es ja auch vollkommen egal. Ein deutsches Gefängnis war immer noch luxuriöser als ein russisches Mittelklassehotel. Das Einzige, was ihn davon abhielt, sich der Polizei zu stellen, waren seine Frau und ein Rest von Berufsethos. Valentina hielt immer noch treu zu ihm, obwohl er sich auch ihr nicht mitteilen konnte. Große Teile seiner Vergangenheit dürfte sie sowieso nie erfahren. Er hatte alles darauf angelegt, aber sie trennte sich einfach nicht von ihm. Es wäre leichter gewesen, hätte er sicher sein können, dass sie nach ihm mit jemand anderem richtig glücklich und zufrieden leben würde … nein, diese Ehe verlief überhaupt nicht nach Plan. Als ehemaliger Tschekist hatte er den Anspruch, ein Profi zu sein.
    Dieses war der zweite Grund: die Berufsehre. Ein Plan musste eingehalten werden, sonst taugte er nichts. Und ein geplanter Mord – durfte nicht von der Polizei aufgeklärt werden.
     
    »Scheiße«, Renan stocherte lustlos in ihrem Salat, während Alfred ein Stück Schweinebraten zersäbelte.
    »Ein Griff ins Klo mehr oder weniger …«, Alfred zuckte die Achseln.
    »Was bist du denn jetzt so schlecht drauf?«, Renan hasste es, wenn Alfred den Unbeteiligten spielte, obwohl sie beide ganz genau wussten, dass er sich innerlich grün und blau ärgerte.
    »Ich bin nicht schlecht drauf«, mit einem etwas zu lauten Klirren legte Alfred sein Besteck auf dem Tellerrand ab und versuchte seine Augen kleine spitze Pfeile schießen zu lassen.
    »Ach, bin’s jetzt ich wieder, oder was?«, sein schwarzäugiges Gegenüber veranstaltete gerade einen Crashkurs, wie man am

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