Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
Russen gebeten. Die zwei Kollegen waren aber zu der Zeit nicht im Dienst und nun könnte es doch sein, dass ausgerechnet einer von ihnen dieses Gesicht schon einmal gesehen hat … langer Rede kurzer Sinn: Heinrich vom Kommissariat 44 hat sich tatsächlich an ihn erinnert.«
»K44«, sie kniff die Augen zusammen, »was machen die noch mal?«
»Drogen- und Beschaffungskriminalität.«
»Sag bloß, das war ein Drogendealer«, sie richtete sich auf und sah ihrem Kollegen direkt in die Augen.
»Das wissen wir nicht«, er nahm einen Schluck aus der Tasse, »Heinrich hat sich daran erinnert, dass sie vor einem halben Jahr eine Razzia in einer privaten Wohnung gemacht haben. Hauptsächlich jugendliche Konsumenten von harten Drogen. Unser Mann war auch dabei, ist jedoch durch ein Fenster über den Hinterhof entkommen. Heinrich hat versucht, ihn zu verfolgen, und ist leicht verletzt worden, als der Mann eine Pistole zog und schoss.«
»Um Gottes willen«, Renan riss die Augen weit auf, »wo hat der andere ihn denn getroffen?«
»Nirgendwo«, Alfred winkte ab, »Heinrich hat im Eifer des Gefechts nicht auf den Weg geschaut, ist über einen Wäschekorb gefallen und hat sich eine Platzwunde an der Stirn zugezogen. Auf jeden Fall hat er mir versprochen, sich noch einmal die Jugendlichen von damals vorzunehmen, wenn ich mich dafür mal wieder bei der Gewerkschaft blicken lasse. Bist du eigentlich Mitglied?«
»Du machst mich wahnsinnig, wenn du dauernd vom Thema abkommst«, meckerte Renan, »die Kollegen haben doch damals sicher alle anderen festgenommen und verhört. Haben sie dabei irgendwas über den Mann erfahren können? Wenn er in derselben Wohnung war, kann er für sie ja kein Unbekannter gewesen sein, oder?«
»Das möchte man meinen, aber«, Alfred hob den Zeigefinger, »von den vier festgenommenen Jugendlichen will ihn tatsächlich keiner gekannt haben. Jeder glaubte, ein anderer würde ihn kennen.«
»Und was war das für ein Treffen? Eine russische Tee-Party, gemeinsames Fixen, Pflege russischer Folklore mit ʼner Nase voll Koks?« Alfred hatte einige Charakterzüge, die Renan ganz besonders hassenswert fand. Ganz oben auf dieser Liste stand seine Freude daran, sich wichtige Einzelheiten aus der Nase popeln zu lassen.
»Friss mich nicht gleich auf«, Alfred hob abwehrend die Hände, »ich konnte heute früh nur kurz mit Heinrich reden, dann musste er in die Morgenbesprechung und anschließend in den Außendienst. Er rührt sich heute Abend noch mal. Zur Not gehe ich nach Feierabend noch ein Bier mit ihm trinken.«
»Natürlich«, stöhnte sie, »die alten Kungelrunden. Wie konnte ich das nur vergessen!«
Obwohl Renan sich für eine überaus moderne Frau hielt und immer ein entkrampftes Verhältnis zum anderen Geschlecht gepflegt hatte, brachte sie die alteingesessene Männerwirtschaft bei der Polizei doch manchmal zum Verzweifeln. Vor allem dann, wenn ihr Kollege Albach sie scheinbar unreflektiert pflegte. Es konnte doch nicht sein, dass die Weitergabe von wichtigen Informationen davon abhing, mit wem man schon alles besoffen unter dem Tisch gelegen oder wen man 1980 bei der Wahl zum Personalrat unterstützt hatte oder ob man in der Gewerkschaft war oder im Polizeisportverein … Ansonsten hatte sie von Anfang an wenig Probleme mit dem Polizei-Chauvinismus gehabt, weil sie mit beiden Beinen im Leben stand, nicht auf den Mund gefallen war und dadurch handfest Kontra geben konnte. Dumme Witze oder Macho-Sprüche entlockten ihr meist nur ein mitleidiges Lächeln. Wirkliche Probleme auf der persönlichen Ebene hatte sie bisher eher mit Frauen gehabt. Und Alfred Albach war ein ganz spezieller Fall: Eigentlich war er ein offener, toleranter, fairer und intelligenter Mann, der vor allem daran interessiert war, im Teamwork gute Arbeit zu leisten. Eingedenk dieser Vorzüge konnte sie ihm seine Eitelkeit, seine Belehrungen, die Pedanterie und das Theaterspielen verzeihen – nicht aber seine gelegentlichen Abstürze in alte Männer-Seilschaften. Sollte etwa der Erfolg einer Ermittlung davon abhängen? Einmal mehr trieb ihr der Gedanke die Zornesröte ins Gesicht.
»Willst du vielleicht mitkommen?«, fragte Alfred kleinlaut.
»Nein!«
Alfred kratzte sich am Kopf und machte sich nochmals auf den Weg zur Kaffeemaschine. Am Radio blieb er stehen und verstellte den Sender. Nach einer halben Ewigkeit des Rauschens und Knackens hatte er einen halbwegs klaren Empfang. Ein Lokalsender brachte die aktuellen Charts. Gerade
Weitere Kostenlose Bücher