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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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das sich einstellt, wenn man etwas Neues vorhat, wenn man glaubt, sein Leben in eine geordnete Bahn gebracht zu haben, und mutig genug ist, es durchzuste-hen, auch in schwierigen Zeiten.
    Eine Woche später zog ich in das Haus ein.
    Ich hatte es natürlich noch nicht richtig von innen gesehen, sondern nur durch die Fenster geschaut, wenn ich wußte, daß niemand auf der Farm war. Die Labradors, die als Haus- und Wachhunde gehalten wurden, bellten mich wütend an, aber da ich so oft vorbei-gekommen war und so wenig Angst zeigte, haben sie mich mit der Zeit als jemanden akzeptiert, der das Recht hatte, sich dort aufzuhal-ten. Innen sah das Haus mit dem Zeltdach sogar noch besser aus: Die Wände waren gebeizt, und es blätterte keine Farbe ab. Ich mochte die Dunkelheit; Sonne gab es draußen genug. Irgend jemand hatte der Hausfront eine Veranda vorgebaut, die mir nicht gefiel, aber ich habe dann Holz dort gestapelt; auch war sie ein guter Platz für meine matschigen Arbeitsstiefel, so daß sogar die Veranda ihren Nutzen hatte. Voll Stolz erzählte mir Ted, daß das Bad mit Keramikfliesen ausgelegt sei. Er mußte einen Brunnen für das Haus graben und hatte gehofft, daß die Niederschläge im Frühling ausreichen würden, aber in trockenen Sommern wurde das Wasser knapp. Die Brunnenbauer mußten dreihundert Fuß tief graben, bevor sie Wasser fanden, und auch das gelang erst beim zweiten Versuch, nachdem ein Rutengänger gerufen worden war. Ich fand es komisch, daß man Rutengängern so wenig vertraute und sie erst rief, nachdem der erste Versuch fehlgeschlagen war; dann aber wurden die Brunnenbauer fündig. Ich fand es komisch, aber ich war auch der gleichen Meinung: Man nimmt magische oder verborgene Kräfte nicht ohne weiteres in Anspruch; nicht zu früh und auch nicht leichtfertig.
    »Vielleicht sollte ich die ersten beiden Male mit Ihnen zusammen melken«, sagte Ted, um mich herauszufordern.
    Ich nahm die Herausforderung nicht an, schließlich war ich schon zu alt, um mich selbst zum Narren zu machen.
    »Ich wäre Ihnen dankbar«, sagte ich. »Ich habe zwar die Vorgän-ge im Melksalon studiert« – ich sah, wie er über diesen Ausdruck lächelte – »und ich weiß, daß ich es in einer angemessenen Zeit schaffe. Das Gewicht der Maschinen ist kein Problem, aber wenn Sie mir helfen, die Routine zu bekommen, werde ich es schneller und besser lernen.«
    Er zuckte die Schultern, und sicherlich dachte er, es würde nicht klappen. Aber schließlich hatte er sehr wenig zu verlieren (das Haus würde sowieso niemand mieten), und obwohl ich ein Risiko für ihn war, käme ich vielleicht doch zurecht… Am Tag nach meinem Einzug fingen wir mit der Arbeit an.
    Wir brauchten nicht lange, um festzustellen, daß wir ein menschliches Wunder vollbracht hatten, die beiden auf ihrer Seite und ich auf der meinen. Unsere Kultur spricht von diesem Phänomen nur im Zusammenhang mit heterosexueller Liebe, Romanzen und Ehe, aber auch Freundschaft hat ihre Wunder und eine Arbeitskameradschaft vielleicht noch mehr. Ich habe ihnen den kleinen Bruchteil eines harten Lebens mit vielleicht zu hohen Anforderungen abgenommen, der ihnen nun gerade genug Spielraum läßt, um ein wenig zu träumen. Ich war sehr sorgfältig in meiner Arbeit und nach relativ kurzer Zeit auch tüchtig. Sie ließen mich in Ruhe. Sie versuchten niemals, mein Haus zu betreten oder danach zu sehen, wenn ich nicht da war.
    Ich weiß das, weil ich kleine Vorrichtungen aufgebaut hatte, die mir das angezeigt hätten. Langsam haben sie mein Vertrauen gewonnen, langsamer, als ich das ihre. Als die Besucher kamen, war Ted so sehr auf meiner Seite, wie ein Schuljunge in einer englischen Geschichte.
    Wir waren gute Freunde und Verbündete gegen die anderen. Ich hatte einen wirklichen Freund gefunden.

    4

    A lbertas Tagebuch
    Als ich zum ersten Mal einen Freund gefunden hatte, war ich acht Jahre alt und zu einem Besuch in England. Man hatte mich nach Oxford geschickt, um bei einer Tante zu bleiben – von Anfang an wußte ich, daß diese Verwandtschaftsbezeichnung ein Ehrentitel war
    – und zwar für die Dauer meiner ganzen amerikanischen Schulferien.
    Warum das anfing, als ich acht war und nicht vorher, hat man mir nicht gesagt. Meine Tante war Rektorin an einem Mädchen-College in Oxford; die großen Ferien in England fallen nicht mit den amerikanischen zusammen, die ursprünglich an den Erfordernissen der Landwirtschaft ausgerichtet waren, so daß die amerikanischen Studenten Zeit

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