Albertas Schatten
Frau hieß Jean; ich hatte sie ein- oder zweimal im Super-markt gesehen, wo sie sich geschmeidig und lässig in ihrer bequemen Farmerkleidung bewegte; sie war nicht geschminkt. Das gefiel mir. Wir verstanden einander auf eine instinktive Weise vom ersten Augenblick an. Ich habe versucht, mir das zu erklären, aber die meisten intuitiven Wahrnehmungen kann man nicht beschreiben. Irgendwann werde ich es niederschreiben. Wir fürchteten einander nicht, und wir mußten uns nicht hinter Masken verbergen; genauer kann ich es nicht beschreiben. Ich glaube, das senkte die Waagschale zu meinen Gunsten; zumindest hat es dazu beigetragen.
Ich hatte meinen Plan sorgfältig ausgearbeitet und schriftlich festgehalten; das hat ihnen imponiert und sie auch ein wenig erschreckt, was durchaus in meiner Absicht lag. Sie sollten eine gewisse Scheu vor mir haben und auch behalten.
»Es ist kein rechtsgültiger Vertrag«, sagte ich, »ich wollte nur meine Forderungen und meine Angebote auflisten und sie mit den Ihren abstimmen. Es sollte eine Probezeit geben. Ich kann Ihnen zwar sagen, daß ich stark, leistungsfähig und zuverlässig bin, aber herausfinden müssen Sie es selbst. Was ich an Tätigkeit anzubieten habe, ist folgendes: Ich werde jeden Morgen das gesamte Melken übernehmen, auch das Melken am Nachmittag oder, wenn es Ihnen lieber ist, jede andere Tätigkeit für die Dauer der Melkzeit. Ich kann die Maschinen warten, eggen, wässern, Getreide ernten, für die tägliche Fütterung das Gras mähen. Meine Arbeitszeit wird nur drei Stunden morgens und drei Stunden nachmittags betragen. Sie werden mich nicht um irgendeine Extraarbeit bitten. Wenn Sie wegwol-len für einen Tag oder eine Woche und mir beide Melkzeiten überlassen, müssen Sie für die übrige Arbeit noch jemanden besorgen.
Ich möchte, daß klar ist: Ich arbeite nur so lange, wie beide Melkzeiten dauern. Als Gegenleistung möchte ich in Ihrem Zelthaus wohnen; es soll mein Zuhause sein, ich werde es in Ordnung halten und Sie werden es nicht betreten, wenn ich zu Hause bin. Zusätzlich zahlen Sie mir fünfzig Dollar pro Woche.« Über diesen Betrag hatte ich besonders eingehend nachgedacht. Zusammen mit meinem mageren übrigen Einkommen würde ich damit leben können. Ich hoffte, ich würde damit unter der Einkommensteuergrenze bleiben. Was ich bekam, wollte ich behalten, und ich wollte darauf rechnen können.
Dies waren meine Bedingungen, nicht mehr und nicht weniger, auf keiner Seite.
»Ich erwarte nicht, daß Sie sich jetzt entscheiden«, sagte ich ihnen. »Vielleicht sollten wir sagen, daß, wenn Sie einverstanden sind, jede Seite das Arbeitsverhältnis jeweils zum Ende einer Woche kündigen kann, und das während der ersten drei Monate. Zuerst werde ich mich vielleicht ungeschickt beim Melken anstellen, aber ich werde es schnell lernen. Das gibt Ihnen eine gewisse Freiheit, die Sie sonst nicht hätten. Für mich bedeutet es harte Arbeit, jeden Tag, ein schönes Heim und zwischen der Arbeit Zeit zum Schreiben, denn das ist mein Beruf.« Ich wollte nicht, daß sie sich allzuviele Gedanken über mich machten.
Ich trank den Kaffee aus, den sie mir angeboten hatten, und ging.
Ich ging die Straße entlang nach Hause in der Hoffnung, ja sogar in der Erwartung, daß der Handel aufging. Ich hatte sie sehr in Versuchung geführt, und ich glaubte, den richtigen Farmer ausgesucht zu haben. Er war nicht ungebildet, das heißt, er war nicht übermäßig mißtrauisch. Der Gedanke, daß eine nicht mehr ganz junge Frau schwere körperliche Arbeit auf sich nimmt, war sicherlich ungewöhnlich, aber seine Frau würde jeder Befürchtung dieser Art widersprechen. Wie ich schon vermutet hatte und später bestätigt bekam, haßte sie »Frauenarbeit«. Als die Kinder klein waren, mußte sie, soweit notwendig, einen Babysitter engagiert haben, um selbst den Traktor fahren zu können. Jetzt waren die Kinder – ein Junge und ein Mädchen, beide gleich groß und altersmäßig nahe beieinander – oft bei ihr, wenn sie im Sommer auf dem Feld arbeitete. Auch sie hatte ich in meine Rechnung mit einbezogen. Ich mag Kinder nicht, aber solange ich meine Würde behalten kann, kann ich mit ihnen auf gleicher Ebene umgehen. Als ich das hell erleuchtete Wohnzimmer verlassen hatte, schien mir die Nacht sehr dunkel, aber bald hatten sich meine Augen an das sanfte Nachtlicht gewöhnt; der Mond schien an diesem kühlen Märzabend. Ich war freudig erregt und spürte diese Wogen eines Glücksgefühls,
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