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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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anfangs hier ein kleines Haus gemietet hatte, wußte ich nicht viel über Kühe, obwohl ich ein paar romantische Vorstellungen vom Leben auf einer Farm hatte. Romantisch heißt nach meiner Definition unrealistisch, verbrämt mit einer falschen Attraktivität, um diejenigen zu täuschen, die unter der Oberfläche nicht die Realität erkennen können. Die ganze Werbung ba-siert auf Romantik; das gleiche gilt für die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft oder (um ein Beispiel männlicher Romantik in den Vereinigten Staaten zu nennen) für das Cowboyleben. Man nimmt den schlimmsten Aspekt eines Lebens – die Abhängigkeit der Ehefrau, die Einsamkeit des Cowboys – und verherrlicht ihn, läßt Ehefrauen oder Cowboys eine Sprache sprechen, die ihnen ihre Situation romantisch erscheinen läßt.
    Ich hatte sehr romantische Vorstellungen von der Einsamkeit, vom Alleinleben und davon, nichts anderes zu tun als Schreiben und Lesen, keine Ansprüche erfüllen zu müssen, keinen ermüdenden Job zu haben und nicht in einer oberflächlichen Gesellschaft mit ihrem Geschwätz verkehren zu müssen. Vielleicht verschafft die Einsamkeit dem Künstler in seinen Qualen eine besondere Produktivität. Ich habe einmal über die Philosophin Suzanne Langer gelesen, daß sie sich in eine abgelegene Waldhütte zurückgezogen hatte, um ein Buch zu beenden. Das kann ich verstehen, das Übermaß an Energie, das erforderlich ist, um Gedanken, die sich langsam formen, langsam bewußt werden, zu Papier zu bringen. Aber ich glaube, Einsamkeit kann nur in ganz bestimmten Fällen positiv wirksam werden. Sime-non beispielsweise schloß sich immer für die zehn Tage ein, die er brauchte, um einen Maigret-Roman zu schreiben. Sicher, seine lie-bende Frau mit ihrem wohlorganisierten Haushalt stellte ihm die Mahlzeiten vor die Tür, putzte auch sein Badezimmer. Ich kann heute gut verstehen, daß es Kolonien wie Mac-Dowell und Yaddo gibt, in denen Einsamkeit und der erforderliche Service denjenigen geboten werden, die mit einem Buch oder einem Konzert schwanger gehen. Aber für all diese gilt, daß sie berühmt sind, daß man Erwartungen in sie setzt. Einsamkeit bedeutete für sie die Flucht vor Stö-
    rungen durch Fremde. Ich war, seit ich allein lebe, ungestört – so ungestört, wie ein Mensch überhaupt nur sein kann.
    Als ich hier nach Massachusetts gekommen war, fing ich an, Kü-
    he überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Jeden Morgen und dann wieder gegen vier oder auch früher stellten sie sich auf; nein, sie stellten sich nicht auf, sie drängten sich wild durcheinander, obwohl sie ihre Reihenfolge kannten und die Zeit, zu der sie dran waren; es waren so an die hundert Kühe, die da gemolken wurden; aber es sollte noch eine Weile dauern, bis mich diese Melkerei persönlich anging. Ich suchte verschiedene Farmen auf und spionierte herum. An der Straße gab es einen Farmer, für den ich niemals arbeiten würde, das wußte ich genau. Er hatte keine richtige Einstellung zu Tieren; er behandelte sie mit einem solchen Grad von Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben, ein untrügliches Zeichen. Aber er redete gern. Ich hatte herausgefunden, daß er gern seine Arbeit unterbrach, wenn er in meiner Nähe eggte, düngte oder säte, und er trank dann den Eiskaffee, den ich ihm anbot und redete. Jeder redet gern über seine Arbeit, es ist das interessanteste Gesprächsthema der Welt, zumindest am Anfang.
    Es gibt zwei absolut unveränderliche Gegebenheiten auf einer Farm mit Milchwirtschaft: Die Kühe müssen morgens und abends gemolken werden, jeden Tag ohne Ausnahme, und man muß mit den Maschinen umgehen und sie reparieren können. Wollte man jedesmal, wenn ein Traktor, ein Heuwender, die Melkmaschine oder das Kühlaggregat defekt ist, auf den Kundendienst warten, wäre man nach einer Woche aus dem Geschäft. Manche Geräte benötigen die Wartung durch einen Fachmann, aber im Alltag muß man etwas von einem Verbrennungsmotor verstehen, von einfacher Mechanik und Elektrizität, wenn man auf einer Milchfarm überhaupt von Nutzen sein will.
    Mit Freude an der neuen Aufgabe und einem festen Stundenplan begann ich, mich in die Mechanik einzuarbeiten. Mein mageres Einkommen ging drauf für Mechanikkurse; ich war geschickt, arbeitete konzentriert und las viel. Die anderen Studenten waren jung und hatten noch zuviele andere Dinge im Kopf. Wenn ich also länger blieb und noch herumbastelte oder auch Fragen stellte, sah mich niemand schief an. Oft schreiben die Menschen

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