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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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hundert würden über sie lachen, aber diese neun-undneunzig würden sich keinen Pfifferling um die Tudors scheren oder auch nur ahnen, wen sie da vor sich haben. Ich vertraute darauf, daß dies bei Alberta anders sein würde.
    Als Alberta bei unserem ersten Besuch wieder herauskam, blieb absolut unklar, wie alles gelaufen war. (Das nächste Mal ging sie alleine hin; sie benutzte die U-Bahn wie eine Einheimische, aber natürlich vergesse ich immer wieder, daß England vertrauter Boden für sie ist, zumindest geographisch gesehen. Sie war erstaunt über die Menge verschleierter arabischer Frauen, die man auf den Straßen sieht.) Alberta gehört nicht zu den besonders redseligen Typen, aber sie erwähnte, wie sehr sie Sinjin mochte und wie sehr sie sie bewunderte – »wie meine Tante, sie sagt immer, die Arbeit, die du tust, ist wichtig«; ich bin sehr zuversichtlich. George ist in seinen Club ver-bannt worden, wo er vermutlich den ganzen Tag lang Bridge spielt, und wenn er als Strohmann fungiert, betet, daß alles gut geht. Er hat auch irgendwas von Golf erzählt; ich bin sicher, daß wir ihn für eine Weile außer Reichweite haben.

    Liebster Toby,
    es tut mir leid, daß so viel Zeit vergangen ist, aber nach Deinem lieben Anruf gestern abend geht es mir wieder besser. Es hat mich glücklich gemacht, mein Geliebter, daß Du daran gedacht hast. Es war herrlich, Deine Stimme zu hören. Bis Du diesen Brief erhältst, werde ich die letzten wichtigen Einzelheiten für die Biographie erfahren haben.
    Alberta und Sinjin sprachen miteinander – stundenlang, mein Lieber; ich glaube, Sinjin hat die Tudors so ziemlich vergessen.
    »Und worüber haben Sie gesprochen?« wollte ich von Alberta wissen. »Oh, über ihre Kindheit – wußten Sie, daß sie gern ein Junge gewesen wäre mit Mütze und gestreiftem Blazer? –, über ihre Begegnung mit meiner Tante, über die Jahre in Oxford und die Zeit danach, die Freundschaft der beiden, Sinjins Heirat und George.«
    »Eine wunderbare Liste von Gesprächsthemen«, sagte ich mit meiner üblichen sanften Ironie. »Aber was genau haben Sie geredet?
    Wie verlief das Gespräch? Sie wissen ja, und ich sagte, und sie sagte, und sie sagte, daß sie sagten…« Unsere liebe Alberta lächelte nur und sagte, daß sie noch nicht darüber sprechen könne, nicht weil es geheim sei, sondern nur, weil sie nicht darüber reden wolle, bevor sie es verdaut habe. Und damit mußte ich mich natürlich zufrieden geben, zumal sie stets die Rücksichtnahme in Person war (und ist). Das heißt, daß mir vielleicht die köstlichen Leckerbissen, die kleinen Erinnerungen, die Skandale entgehen – die ich jedesmal erahne –, aber sie war offen genug, über die Entscheidungen zu sprechen, die sie, heftig aufeinander einredend, unter dem Dach des engen Hauses getroffen haben, während Sinjin ihre fetten und Alberta ihre langen Beine dem unzulänglichen Heizofen entgegenstreckten.
    »Was Sie sicher wissen wollen«, sagte Alberta, »ist ihre Entscheidung, was die Biographie meiner Tante, ihre Papiere und so weiter betrifft. Sie hat kein besonders großes Vertrauen zu George, aber sie war entschlossen, ihm alles zu überlassen, falls ich mich als Enttäuschung entpuppt hätte oder als uninteressiert an ihr oder an meiner Tante. Nachdem sie festgestellt hatte, daß ich interessiert und nicht besonders enttäuschend auf sie wirkte, sagte sie, sie wolle mir überlassen, was mit den Papieren, der Biographie, der ganzen Angelegenheit überhaupt geschehen soll. Das Testament, das sie in den Staaten gemacht hat, soll anscheinend weiterhin gültig bleiben. (Ich hatte wohl kaum losschreien können; ich kenne es, mein Liebhaber hat es abgefaßt.) Ich werde alle ihre Papiere einsehen können. Sie fragte, ob ich Sie für eine gute Biographin meiner Tante hielte, und ich sagte ja. Ich glaube daher nicht, daß es Probleme geben wird.
    George und ich sollen uns die Erträge aus den Büchern meiner Tante teilen; sie hat alles mir angeboten, aber ich habe abgelehnt; ich bin erst im letzten Moment in Erscheinung getreten, und es wäre George gegenüber nicht fair gewesen. Alle Einnahmen aus der Biographie gehen natürlich an Sie.«
    Also, mein liebster Toby, eine größere Fairneß kann man wirklich nicht erwarten. Sie sagte mir, sie fange an, mich zu mögen und zu respektieren, und sie glaube, daß ich eine gute Biographie schreiben würde; jedenfalls sehe sie keinen Grund, warum mir das nicht gelingen sollte. »Aber werden Sie

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