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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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auf das entschiedenste ablehnt in dem Augenblick, da man sie wieder zu Gesicht bekommt. Er ist ein so aufgeblasener, mieser Pfu-scher. Wie hat Harriet ihn nur zustande bringen können – aber das habe ich, glaube ich, schon oft genug gesagt. Unsere Alberta könnte da viel logischer ihr Sprößling sein. Aber von wem? Das ist die Frage.
    Der Brief war wahrhaftig kurz genug. Aber hattest Du oder George ihn gelesen? Ich höre Deine Frage. Nein. Wir haben uns unser reines Gewissen bewahrt und das Siegel unberührt gelassen.
    Man kann von George halten, was man will, aber er gehört nicht zu der Sorte, die einen Briefumschlag über Wasserdampf öffnet – sogar wenn er wüßte, wie das geht. Wie dem auch sei: Es schien nicht angebracht. Wenn Dich die Ungeduld auch umbringt, unsere liebe Alberta hat mir den Brief nicht gezeigt. Aber sie hat den Inhalt kurz zusammengefaßt, wie sie sagte, bevor sie ihn mit einer endgültigen Geste in die Gesäßtasche steckte. »Da wird George gebeten, mich zu finden«, sagte sie, »womöglich mit Charlies Hilfe – Ihrer Hilfe«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu. »Sie hofft, Sie beide werden Erfolg haben, bevor sie stirbt; sie hat das Gefühl, daß dieses Ereignis eintreten wird, sobald sie ihr Werk über die Tudor-Handschriften beendet hat. Wenn es Ihnen gelingt, mich zu finden, möchte sie mich sehen. Sie sagt, George wird darunter leiden müssen, wenn ich nicht komme, da sie ihr Testament vorher nicht machen kann. Geld für die Reise nach England steht bereit. Es steht noch etwas mehr darin, aber das ist das Wesentliche.«

    Als sie den Brief weggesteckt hatte und mit dem Melken fortfuhr, sagte sie mir, daß sie darüber nachdenken müßte. Habe ich überhaupt erwähnt, daß wir im Stall waren und daß der ganze Melkvorgang damit beginnt, daß sie eine Falltür öffnet, durch die uns Heuballen vor die Füße fallen (vorausgesetzt, wir haben den nötigen Schritt zur Seite gemacht), die sie dann mit einer Heugabel dorthin befördert, wo die Kühe stehen? Ein Punkt war, daß sie ihre Arbeitgeber nicht im Stich lassen wollte. Ich beruhigte sie und sagte ihr, daß sie die Reise in einer Woche hinter sich haben könnte und daß Sinjins endgültiges Manuskript beim Verleger sei und sie nur noch auf den Fahnenabzug wartete. Ich erinnerte Alberta daran, daß die liebe alte Lady an die achtzig wäre, verdammt nochmal, und daß nicht mehr viel Zeit bliebe; Körper und Seele würden nur noch durch die Notwendigkeit zusammengehalten, das letzte ihrer Bücher im Druck zu sehen.
    »Was haben Sie mit all diesen Dingen zu tun?« fragte sie verständlicherweise. Meiner Meinung nach paßte es zu ihr, daß sie nicht früher gefragt hatte. Sie hat etwas von einer Henry-James-Persönlichkeit, sie bewegt sich in einem moralischen Universum, das nur sie selbst bewohnt und mit allem Nachdruck unberührt sehen will. Es wäre ungehobelt gewesen, hätte sie früher gefragt, verstehst Du? Und sogar jetzt beugte sie sich über die Melkmaschine, um nicht den Anschein zu erwecken, als wollte sie mich beim Antworten beobachten. Ich mag sie, Toby, und das hilft sehr.

    Liebster Toby,
    sie ist einverstanden, hinzufahren; sie hat ihren Farmersleuten die ganze Geschichte erzählt, und die sind äußerst verständnisvoll und schätzen ihre Rücksichtnahme. Es machte ihnen nichts aus, eine Woche ohne sie auskommen zu müssen (was ich mir gut vorstellen kann; ich habe die beiden noch nicht kennengelernt, außer die männliche Hälfte das eine Mal, aber ich bin sicher, sie würden noch eine Menge mehr tun als das, um Alberta zu halten. Es kann kein zweites Geschöpf auf dieser Welt geben, egal ob männlich oder weiblich, wenn bei gesundem Verstand, das diesen Job bei dieser Bezahlung machen würde). Aber das habe ich unserer Alberta natürlich nicht gesagt, sondern nur, daß ich mich um die Flugscheine kümmern werde, damit wir zusammen fliegen können. George wird schon früher fliegen, mein Lieber, nachdem ich ihn mit meiner ungeheuer klugen Art überredet habe, bei Mama zu sein, bevor wir beide auf-kreuzen. Mein Beweggrund war natürlich, ihn von Alberta fernzuhalten, und es hat prächtig funktioniert; ich konnte direkt sehen, wie er hoffte, die Beziehung mit Sinjin zu festigen, bevor dieser neue weibliche Einfluß auf sie und sein Erbteil wirksam werden konnte.
    Wirklich, George ist einfach unmöglich; und trotzdem kann ich den armen Trottel nicht ganz und gar verachten; aber er ist so ein stüm-perhafter,

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