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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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er es eigentlich hätte sein müssen, sondern auch, weil er bereit war, ihr alles mitzuteilen, was er in Erfahrung gebracht hatte. Das war wirklich sehr großzügig. Sie war nicht eigentlich seine Konkurrentin. Für ihre Nachforschungen nahm sie kein Honorar – im Gegenteil, meistens ging es so aus, daß sie noch draufzahlte. Wenn man arm ist, kann man nicht lange Amateurdetektiv sein. Dennoch, auch wenn sie all dies zu Mr. Fothingales Gunsten in Betracht zog, beunruhigte Kate eine Frage. Sie entschloß sich, sie auszusprechen, wenn auch mit heftigen Befürchtungen.
    »Bitte, diese Frage soll Sie nicht beleidigen«, sagte sie. »Nein, so anzufangen, ist nicht ehrlich. Bitte, verstehen Sie, daß ich diese Frage stellen muß und daß sie in keiner Weise durch Zweifel an Ihrer Integrität hervorgerufen ist.« Richard Fothingale nickte. »Kann ich sicher sein, daß Sie mir nicht den Fall jetzt übergeben, weil Sie ver-muten oder glauben, daß Charlie selbst oder Toby van Dyne etwas mit dem Verschwinden von Alberta Ashby zu tun haben? Bitte, mißverstehen Sie mich nicht«, fügte Kate nervös hinzu.
    Richard stellte seine Tasse auf dem Tisch ab. »Hätten Sie diese Frage nicht gestellt, hätte ich Sie für dumm gehalten. Der Punkt, den Sie angesprochen haben, ist mir sehr früh bei meinen Nachforschungen durch den Kopf gegangen. Auf diese Weise zu mir zu kommen, wäre der klügste aller Tricks gewesen, wenn Charlie Alberta beiseite geschafft hätte. Ich kann nicht beweisen, daß sie oder Mr. van Dyne es nicht getan haben. Ich glaube nicht, daß sie anders sind, als sie erscheinen, und ich habe Ihnen den Fall nicht übergeben, weil ich befürchtete, meine Klienten könnten schuldig sein. Das ist die Wahrheit, aber ich an Ihrer Stelle würde das nachprüfen.«
    »Der springende Punkt scheint zu sein, daß es nichts nachzuprü-
    fen gibt. Was ist mit Cyril, zum Beispiel?«
    »Das liegt leider ganz klar; Cyril starb, als er noch nicht dreißig war. Ich muß zugeben, daß der Gedanke, er hätte die Identität eines anderen angenommen und wäre aus irgendeinem Grund zurückgekommen, aufregend war. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, warum oder wie Alberta darauf hätte reagieren sollen. Es ist nicht einmal klar, ob und wieviel Zeit sie als junge Erwachsene miteinander verbracht haben.«
    »Wenn ich ihr Tagebuch lese, scheine ich nur an sie als Kind denken zu können, das, in seine Schuluniform gekleidet, Amerika-nern Oxford zeigt. Sie scheint ein ewiges Kind zu sein, wie Alice oder die Kinder in den Nesbit-Büchern.«
    »Charlie sagte, Sie würden die Sache literarisch angehen. Ich verlasse mich mehr auf schriftliche Unterlagen. Die Akten sind sehr präzise, was Cyril betrifft. Er starb an der Hodgkinschen Krankheit.
    Er dachte wohl an seine Kindheit und Alberta, als er wußte, daß er sterben würde. Wir wissen, daß er sich an sie erinnerte und zwar mit großer Zuneigung, denn er hatte sie als Erbin nach dem Tod seiner Mutter eingesetzt. Seine Mutter, die arme Frau, hat ihn überlebt, aber jetzt ist sie tot.«
    »Sie schien ihr Leben schon hinter sich zu haben, als die Kinder noch klein waren.«
    »Ja«, sagte Richard. »Sie war eine mitleiderregende Frau, nicht wahr?«
    »Und Alberta hat das gewußt, damals und als sie das Tagebuch schrieb. Aber wohin führt uns das?«
    »Also«, sagte Richard ein wenig energischer, »da sind eine Menge Einzelheiten. Über Cyrils Leben, über Charlotte Stantons Leben und sogar ein wenig über Harriet St. John Merriweather alias Sinjin.
    Jetzt ist sie ein erstaunlicher alter Fleischberg, wenn Sie mir diesen Ausdruck gestatten. Sie wußte ganz genau, was sie Alberta gesagt hat und was in ihrem Testament stehen sollte und wer das literarische Erbe verwalten sollte und so weiter.«
    »Haben Sie sie kennengelernt?« fragte Kate.

    »Oh, ja. Sie starb erst vor ganz kurzer Zeit. Ich habe auch George kennengelernt.«
    »Eine inspirierende Erfahrung, möchte ich annehmen.« Kate lä-
    chelte ihm zu.
    »Zunächst hatte ich Schwierigkeiten, an seine reale Existenz zu glauben. Sein Teil der Unterhaltung war eine Anhäufung von ›wissen Sie‹, ›also, entschuldigen Sie bitte‹ und ›ich habe keinen blassen Schimmer‹. Wenn Sie mich fragen, er hatte wirklich keinen.«
    »Hat er möglicherweise eine Show abgezogen?« fragte Kate.
    »Das hatte ich gehofft! Das ist das Schwierige an diesem Fall; man riecht den Braten und denkt, ›das wäre zu schön, um wahr zu sein‹, und dann findet man

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