Albspargel
an.
»Weißt du, die Größenverhältnisse unserer Gegend stimmen nicht mehr, wenn die das Riesending bauen.«
Ich wusste es. Aber meine Aufgaben waren andere. Ich schloss die Augen.
»Jörg Fuchslocher«, murmelte ich in Gedanken.
»Der Fuchslocher?«, erwiderte Anton mit raschem Blick. »Den legen sie herein.«
»Legen sie herein?«
»Ja, und andere dazu. Mit ihnen, glauben sie, können sie das Michele treiben.«
»Wie das?«
»Der Fritz Pocherd überredet alle. Er spricht dich an, du kannst ihm nicht ausweichen. Du findest dich im besten Wirtshaus der Gegend wieder, wo er deine Zeche bezahlt, ein mehrgängiges Essen auffahren lässt zur Feier des Tages, wie er sagt. Er redet und redet, Geldsummen, Investitionen, Subventionen, Renditen, Bilanzen, Megawattstunden, Energiebilanzen – Gewinne für die Menschheit, Gewinne für das Land, Gewinne für den Ort, Gewinne für dich, Erträge, Verzinsungen, Prozente. Er rechnet dich schwindelig, und er redet dich in Grund und Boden. Zum Schluss Schampus und Anstoßen. So macht er es ja auch mit seinen Weibern.«
»Mit seinen Weibern?«
Ich wusste, dass Fritz Weibergeschichten hatte, damals in der Jugend und wohl auch noch vor zwanzig Jahren. Es war geredet worden im Ort, zornig, bewundernd, neidisch.
Ich ging nicht weiter darauf ein. »Gewinne für jeden?«
»Gewinne für ihn – vor allem für ihn, nicht für jeden«, sagte Anton zornig, »schon gar nicht für Jörg Fuchslocher.«
»Warum gerade für den Jörg nicht?«
Er hatte so sehnsüchtig und so voller Hoffnung von seiner Braut Franziska geredet. Neunzehn Jahre alt war sie. Ich stellte mir seine neuen Werkstätten vor, bestimmt ein tüchtiger Junge.
»Es ist nicht so einfach mit seiner Erbschaft. Ich glaube, der Jörg übersieht das nicht so richtig, es gibt Einsprüche von Verwandten und Verzögerungen – zugegeben an den Haaren herbeigezogene. Aber der Herr Hauptinvestor tut, als spränge das Geld nur so aus dem Boden für Jörg. Und Pocherd lässt es ja auch sprudeln. Zumindest erweckt er den Anschein: Kredite, Hilfen, so viel du willst, beste Konditionen, niedere Zinsen, lange Tilgungsfristen. Jörg wird seine Erbschaft ja eines Tages wohl auch bekommen. Jeder im Ort hofft das für ihn. Aber wenn nicht? Und wenn das Windrad keinen so großen Gewinn abwirft, wie der Fritz voraussagt – der Wind weht nicht immer – oder wenn es erst gar nicht gebaut wird?«
»Dann steht er bei Fritz in der Kreide?«
»Dann steht er bei Pocherd in der Scheiße und zwar bis zum Hals! Dann baut Fritz Pocherd die neue Werkstatt und kauft Werkzeuge und Maschinen, und Jörg arbeitet darin für den Kerl um ein Käsebrot und ein Stück Dreck!«
Wenn das Windrad nicht gebaut wird, überlegte ich und ärgerte mich.
Ich musste das alles schnell wieder vergessen wie immer: Ich war nicht der Herrgott, der Schicksale macht und sie steuert, sondern nur ein kleiner Windmeteorologe, der seine Pflicht tun musste.
Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass Anton ein wenig zu einem Neidhammel geworden war.
Er redete schließlich noch von Franz Graßner.
»An ihm kannst du sehen, wie schnell es gehen kann mit den Höfen bei uns hier oben. Alles hinüber. Er hat sich vor einem Jahr in seiner Scheune aufgehängt.«
»Er suchte Dich woanders.« Ich war erschüttert.
Franz Graßner hatte bis vor zehn Jahren zu den reichsten Bauern in Tigerfeld gehört; sein Hof war einer der ältesten im Ort mit Malereien am Giebel aus der Klosterzeit. In den letzten Jahren war der Hof sehr schnell vor den Augen des Dorfes verkommen, erzählte mir Anton. Viele schoben den Niedergang auf seinen Sohn Ernst, der nichts taugte. Graßners Frau wäre kränklich, aber das hätte der Hof aushalten müssen. Anton glaubte nicht, dass es am Sohn lag.
»Über vielen Höfen waltet ein Unglück«, meinte er gestelzt und erinnerte mich trotz aller Freundschaft an meine Großmutter, die ähnliche Sprüche gebrauchte.
Am Mittwochabend wurde ich am Eingang der
Krone
strahlend begrüßt vom Kronenwirt Mazzuoli, der mich auf die Seite zog.
»Herr Dr. Fideler, wie schön! Wie sieht es aus?«
»Was sieht aus?«, fragte ich. »Nichts sieht aus«, sagte ich ernst, »man wird es sehen. So sieht es aus.«
Zur Versammlung in die Tigerfelder
Krone
war ich mit dem Klapprad, das ich im Kofferraum immer bei mir habe, von Pfronstetten hierhergefahren. Ich war schon mehrfach mit dem Klapprad auf dem Ganswinkel gewesen. Ich würde Alkohol trinken müssen; da war ein Fahrrad immer
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