Albspargel
der Theke und organisierte den Laden, wie er angekündigt hatte.
Die Besucher waren aus der ganzen Gegend gekommen, aus Hayingen, Gauingen, Zwiefalten, Kettenacker, Wilsingen, Aichelau, ja, bis von Münsingen, Trochtelfingen, Riedlingen, Reutlingen, Gammertingen und Sigmaringen, selbst aus Biberach. Ich erfuhr es von Fritz, der mich gutgelaunt auf wichtige Persönlichkeiten aufmerksam machte.
Zwei Landtagsabgeordnete wurden eigens begrüßt. Reichlich Presse saß an den vordersten Tischen, beschäftigt mit der Suche nach Blickkontakten; sie hantierten mit Blitzlicht und hastiger Schreiberei.
»Wir hätten die Versammlung auch in Münsingen oder Riedlingen machen können; auch größere Säle wären brechend voll geworden.« Fritz blickte stolz um sich.
An meinem Tisch saßen weitere Bauern aus Tigerfeld, Aichstetten und Pfronstetten, die investieren wollten: der Walter Bähr, der Michel Groß, der Tone Alt, der Moritz Wenger, der Matthias Raischle aus Aichelau – ich kannte sie alle noch als junge Leute zwischen zwanzig und dreißig, jetzt verwittert, breitschultrig und von sich überzeugt. Sie fragten nach meinen Lebensumständen, als wären wir seit Jahrzehnten die dicksten Freunde.
Meine Antworten blieben einsilbig.
Am unteren Ende des Tischs, sich offenbar zu den Mächtigen des Dorfes zählend, saß Jörg Fuchslocher, die Hände ineinandergekrampft, mit Blicken auf mich, als wäre ich der Messias.
Weitere Investoren saßen an Nebentischen und tranken unserem Tisch zu und umgekehrt.
Die Versammlung verlief wie alle Versammlungen dieser Art. Die Stimmung war hier vielleicht hitziger, die Stimmen lauter, die Ordnung schwerer herstellbar. Vielleicht war das aber auch nur so in meiner Wahrnehmung.
Begrüßung des Bürgermeisters von Pfronstetten, Tigerfeld gehört politisch dorthin.
Grußworte der beiden Abgeordneten: Sie engagierten sich seit Jahren für Umweltschutz und erneuerbare Energien; beide waren der Ansicht, dass der Standort Tigerfeld besonders intensiv untersucht werden müsste, da er sensibler wäre als andere; beide versicherten, dass die Fachleute des heutigen Abends ihr vollstes Vertrauen genössen; beide waren zuversichtlich, dass zum Schluss die beste Lösung für den Ort, für das Land, für die Bevölkerung, für Klima und Umweltschutz gefunden werden würde; beide sprachen der anderen Partei die Fähigkeit ab, die Dinge so klar zu sehen wie sie selbst; beide versicherten sich dennoch der gegenseitigen Hochachtung und freuten sich über die Sachlichkeit des Gesprächs.
Wahlreden.
Einige Zwischenrufer wurden mit Zischen zur Ruhe gebracht.
Ich hatte auch andere Politiker erlebt, aber nicht oft: voller Widerhaken, die klare Stellung bezogen, mutig auch gegen Meinungsmehrheiten in Wirtshaussälen redeten, die sich vorbereitet hatten und argumentieren konnten, mit Witz und geistiger Schlagkraft.
Es folgten die Stellungnahmen der Fachleute – Wirtschaft, Finanzen, Umwelt: Zahlen, Statistik, Fakten, Übertreibungen, Untertreibungen, Verdrehungen, Versicherungen, Appelle; Bedauern, dass das Windgutachten noch nicht vorlag – hier wandten sich die Gesichter mir zu.
Von Kosten war die Rede, von Wirtschaftlichkeit, vom Retten des Weltklimas, vom Umstieg auf erneuerbare Energien, vom Zeichen, das gesetzt werden müsse. Vom Atomausstieg wurde geredet, von Opferbereitschaft, von Fortschritt, von Arbeitsplätzen, von Verzicht, von Wagemut, vom Menschen.
Vom Menschen redeten auch die Gegner, auch vom Geräuschpegel, von Naturschutz, von Landschaftsschutz, von Verspargelung, von freien Horizonten, von den Vögeln, von den Fledermäusen, von mangelnder Wirtschaftlichkeit, von Gott und der Welt.
Nur von Parteien und Wählerstimmen sprach niemand.
Die Presse schrieb eifrig. Eine Schelle schaffte immer wieder Ruhe.
Ein Wald von Händen, um Fragen zu stellen oder Kommentare abzugeben. Meinungskundgebungen, leidenschaftliche und tränennahe Bekenntnisse auf beiden Seiten.
Toni Schwarz war kein Investor, aber er verteidigte die Anlage fulminant. »Die Benzinpreise steigen in den Himmel, und wir stürzen in die Hölle, wenn der Terrorismus über die Mauern der Atomkraftwerke klettert.«
Ein einfacher Bauer. Aber welche Rhetorik!
Moritz Wenger erhob sich langsam. »Das will ich doch gesagt haben. Investiertes Geld ist hier Gold wert. Der Staat garantiert dir die Rendite auf zwanzig Jahre.«
Das alles war schon gesagt worden.
»Und unser Dorf bekommt endlich Anschluss an die Welt«, sagte
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