Albtraum
auf die Couch. Tess’ Freund hatte immer seine Unschuld beteuert. Sie hätten gestritten, und er hätte sie zu ihrem Auto auf dem Parkplatz hinter dem Bean gebracht. Wütend, wie er gewesen sei, hätte er nicht abgewartet, bis sie eingestiegen war, sondern hätte gleich wieder Gas gegeben. Er hatte geschworen, da habe er sie das letzte Mal gesehen.
Kate hielt ihn zwar für einen Lügner, allerdings war es ihr immer sonderbar erschienen, dass er ihre Glasbilder zerstörthaben sollte. Das war eher ein persönlicher Racheakt gewesen, der sich gegen sie richtete und nicht gegen Tess.
Sie erinnerte sich plötzlich, dass sie Nick Winters gefragt hatte, ob sie ihr Glasbild zurückkaufen könne. Sie hatten über Künstler und den Akt der Kreativität geredet, und bei der Unterhaltung war ihr unheimlich geworden.
Wie fühlen Sie sich bei dem Gedanken, dass ich ein Stück Ihrer Seele besitze?
Er hatte Katz und Maus mit ihr gespielt und es genossen, weil die Maus nicht den Schimmer einer Ahnung hatte, dass sie bald gefressen wurde.
John hatte Tess umgebracht. Das war ihr jetzt auch ohne Beweise klar. Aber warum? Sie betrachtete das Foto, als könne es ihr einen Hinweis geben. Was konnte er gegen Tess gehabt haben, dass er ihr etwas antat?
Vielleicht war sie nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Vielleicht hatte sie ihn beim Herumschnüffeln in ihrem Büro erwischt …
Du lieber Himmel, meine Rollkartei!
Kate sprang auf. Das Foto entglitt ihren Fingern, fiel zu Boden, und das Glas zerbrach.
Mit ihrer Rollkartei besaß John auch Namen, Anschrift und Telefonnummern all ihrer Bekannten. Und aus den Eintragungen daneben konnte er entnehmen, ob es sich um Freunde, Familie oder Geschäftspartner handelte.
Auch Lukes Adresse war verzeichnet. Panik ließ ihr geradezu den Atem stocken. John wusste von Luke. Und als Nick Winters hatte er sich zudem in das Vertrauen ihrer Angestellten geschlichen.
Sie versuchte sich zu erinnern, was genau sie Blake und Marilyn erzählt hatte, als sie sie am ersten Abend ihrer Fluchtvon Luke aus angerufen hatte. Sie hatte ihnen gesagt, dass sie bei Freunden in Houston sei. Dass sie mit Emma weggefahren sei, weil sie es zu Hause nicht aushielt. Sie hatte sie gebeten, mit niemand über ihren Aufenthaltsort zu sprechen.
Fast hätte sie hysterisch aufgelacht. Wann hätten Marilyn und Blake jemals über etwas schweigen können? Es war nur eine Frage der Zeit, wann John Powers sie aufstöberte. Oder war er schon hier? Beunruhigt wandte sie sich der Tür zu und erwartete fast, dass er hereinkam.
„Kate?“ Julianna kam aus der Küche und sah sie besorgt an. „Ist etwas nicht in Ordnung?“
Kate drehte sich zu ihr um. „Ich glaube, wir kriegen bald Probleme.“
„Wie meinen Sie das?“
„Er weiß vielleicht, wo wir sind, dass wir bei Luke sind.“
Julianna kam stirnrunzelnd um die Couch herum, sah das gerahmte Foto und blieb stehen. Aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen.
„Wir müssen schnell hier weg.“ Kate fuhr sich zitternd mit einer Hand durchs Haar. „Sind Sie mit der Küche fertig?“
Julianna antwortete nicht. Kate fragte stirnrunzelnd: „Julianna? Alles in Ordnung?“
„Ich habe ihm das geschenkt“, murmelte sie nach einem Moment mit ausdrucksloser Stimme. „Ich wollte seine Wohnung verschönern.“
„Tut mir Leid“, entschuldigte sich Kate. „Ich wollte es nicht zerbrechen.“
Julianna kniete sich hin und fegte die Glasscherben mit bloßen Händen zusammen. Ihre Finger begannen zu bluten.
„Julianna, Sie verletzen sich!“
Sie schien sie nicht zu hören. „Er brachte mich immer hierher.Mama sagte, es wäre in Ordnung. Sie wusste es nicht.“ Kate ging neben ihr in die Hocke und nahm ihre Hände. „Julianna, hören Sie auf. Sie bluten.“
Sie stieß Kate zurück und griff nach dem Kristallrahmen. Obwohl er zerbrochen war, öffnete sie die Rückseite, nahm das Foto heraus und stellte den Rahmen vorsichtig ab. Sie fuhr mit einer Hand über das Bild, um die Scherbenreste zu entfernen, und hinterließ eine blutige Spur.
Kate sprang auf und wich zu rück. „Luke!“ rief sie eindringlich, jedoch mit gesenkter Stimme. „Könntest du bitte herkommen?“
„Ich war hübsch, finden Sie nicht?“ Julianna betrachtete das Bild mit leicht schief gelegtem Kopf, als versuche sie sich an etwas zu erinnern. „War ich hier zehn oder elf?“ Sie hob den Blick zu Kate. „Wissen Sie das?“
Kate schüttelte den Kopf.
„Ist auch egal.“ Sie berührte das Foto
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