Albtraum
voll hinter der Adoption stehen. Das wäre weder dem Kind gegenüber fair noch gegenüber seiner Mutter oder den vielen anderen Paaren, die noch auf unserer Liste stehen.“
Kates Finger waren kalt und zitterten. Richard begriff, wie viel ihr dieses Gespräch bedeutete, und drückte ihr aufmunternd die Hand. „Ich bin Anwalt und von Natur aus misstrauisch. Ich stelle immer viele Fragen, das ist mein Beruf.“ Er zwang sich zu einem Lachen. „Trotzdem frage ich mich, warum die Wahl auf uns gefallen ist.“
„Ja.“ Kate beugte sich hörbar erleichtert vor. „Hat sie gesagt, warum? Ich würde es auch gern erfahren.“
Ellen zögerte und nickte. „Sie sagte, sie hätte sich in Sie verliebt. Das waren ihre Worte.“
„Verliebt?“ wiederholte Kate und sah Richard an, der grinste.
„Ich habe ja immer gesagt, dass wir liebenswert sind, jetzt weißt du es.“
Ellen lachte. „Ich weiß, das klingt vielleicht seltsam für Sie. Schließlich ist die Frau eine Fremde. Aber Sie müssen verstehen, dass diese ganze Prozedur für die jungen Frauen sehr emotional ist. Sie meinte vermutlich, dass sie sich in Ihren Lebensstil verliebt hat. Oder in die Vorstellung von dem Leben, das Sie ihrem Kind bieten werden.“
Ellen faltete die Hände auf dem Tisch und fuhr fort: „Viele dieser jungen Frauen sind verzweifelt, einsam oder kommen aus einer sehr üblen Lebenssituation. Einige wurden von ihren Liebhabern verlassen, andere von den Eltern auf die Straße gesetzt,wieder andere müssen sich gegen die Feindseligkeit der eigenen Familie wehren, weil sie sich zur Adoption entschlossen haben. Und dann kommt noch die Angst dazu, die falsche Entscheidung zu treffen. An die Adoptiveltern zu glauben ist lebenswichtig für diese Frauen. Und diese junge Mutter glaubt an Sie, so einfach ist das.“
„Wann werden wir sie kennen lernen?“ fragte Kate tief bewegt. „Ich möchte ihr danken.“
Ellen wandte einen Moment lang den Blick ab. „Vorläufig gar nicht. Sie hat sich inzwischen für eine anonyme Adoption entschieden.“
„Völlig anonym?“ wiederholte Kate bedauernd. „Ich hatte gehofft, wir könnten sie wenigstens kennen lernen. In der gesamten Literatur zur Adoption steht, es wäre das Beste für alle Beteiligten, besonders für das Baby, wenn man sich kennt.“
„Wir bevorzugen es ja auch.“ Ellen sah von einem zum anderen. „Aber letztlich ist es immer die Entscheidung der leiblichen Mutter.“
„Das verstehe ich nicht“, sagte Richard und zog die Stirn kraus. „Warum hat nur sie die Wahl? Mir scheint, dass wir in dieser Sache doch Fifty-Fifty-Partner sind.“
„Sehr einfach. Weil sie etwas hat, das Sie und Tausende anderer Paare haben möchten. Sie sitzt am längeren Hebel, Richard, ob es Ihnen gefällt oder nicht. So sind die Fakten.“
Richard sah Kate an, dann wieder Ellen. „Mir erscheint das nicht richtig. Versucht sie etwas zu verbergen? Hat sie einen Grund, weshalb sie uns lieber nicht kennen lernen möchte?“
Ellen errötete. „Sie hat nichts zu verbergen. Und falls doch, würden wir es entdecken und sie aus dem Programm entfernen. Wir prüfen jeden, den wir hier aufnehmen, sehr sorgfältig. Uns entgeht nichts.“
„Wir haben jedenfalls volles Vertrauen zu Ihnen und Ihrem Programm.“ Kate drückte ihm warnend die Hand. „Nicht wahr, Schatz?“
„Natürlich haben wir volles Vertrauen. Wir sind nur ein wenig enttäuscht wegen der anonymen Adoption.“
Ellen nickte. „Wie schon erwähnt, es ist eine sehr emotionale Erfahrung für die jungen Frauen. Manche versuchen so viel Distanz zu schaffen wie nur möglich, um das Verfahren unpersönlich zu gestalten. Einige ändern ihre Meinung, wenn sie merken, dass das nicht funktioniert.“
„Können Sie uns denn wenigstens ihren Vornamen verraten?“ fragte Kate. „Und uns sagen, wie sie aussieht und wie alt sie ist?“
„Vorläufig möchte sie nicht, dass sie auch nur ihren Vornamen erfahren. Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass sie neunzehn ist und sehr attraktiv. Vom Typ her ähnelt sie Ihnen ein bisschen, Kate. Ich weiß, dass Ihre Neugier damit nicht gestillt ist, aber mehr darf ich Ihnen nicht sagen.“
Nach einem Seitenblick zu Richard bat Kate: „Könnten Sie mit ihr reden und ihr übermitteln, wie gern wir sie kennen lernen möchten?“
„Ich versuch’s“, versprach Ellen. „Aber ich glaube nicht, dass das viel nützt. Sie ist eine sehr entschlossene junge Frau. Wie ich sie einschätze, ist sie von einem einmal gefassten
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