Albtraum
später an.“
Kate nickte und nahm den Hörer auf. „Hallo?“
Richard wartete nicht ab, wer es war, sondern lief nach oben. Er hatte um neun einen Termin mit seinem persönlichen Trainer, und der verabscheute Unpünktlichkeit. Deshalb erstattete er auch nie die ungenutzte Zeit, falls sich ein Kunde einmal verspätete.
Richard riss die Sporttasche aus seinem begehbaren Schrank, prüfte den Inhalt mit einem Blick und lief die Treppe wieder hinunter. Er steckte den Kopf zur Küchentür herein. „Ich komme gleich zurück nach … Kate? Was ist los? Ist was passiert?“
Blass und zitternd sah sie ihn an. Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch es kam kein Ton heraus.
Besorgt ging er zu ihr, packte ihre Ellbogen und schüttelte sie leicht. „Hat es einen Unfall gegeben? Kate, ist was mit unseren Eltern …?“
„Das war Ellen“, flüsterte sie unter Tränen. „Wir sind … eine werdende Mutter …“ Sie rang um Fassung. „Eine … werdende Mutter hat uns ausgewählt für ihr Baby.“
Richard wich verblüfft einen Schritt zurück. Das konnte doch nicht wahr sein! Nicht so schnell!
Er betrachtete forschend ihr Gesicht und suchte nach Hinweisen, dass sie ihn auf den Arm nahm. Vergeblich.
Aber ich bin noch nicht so weit!
Er bemühte sich um Haltung, um die Ruhe, die ihn selten verließ. „Bist du auch sicher, dass man uns ausgewählt hat? Ich meine, vielleicht wurden wir nur in die engere Wahl gezogen, ohne …“
„Nein, ich bin absolut sicher. Ellen will sich Anfang nächster Woche mit uns treffen, um abzuklären, wie es jetzt weitergeht.“
„Aber …“ Richard fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Aber wir haben uns erst vor zwei Monaten bei Citywide eingetragen. So schnell sollte das doch gar nicht gehen. Sie sagten ein Jahr, vielleicht länger.“
„Ich weiß.“ Kate legte die Hände vor den Mund. „Wir haben bald ein Baby, Richard. Anfang Mai. Das sind nicht mal mehr drei Monate.“
Anfang Mai! Großer Gott, was mache ich bloß?
Kate umschlang ihn mit beiden Armen und presste die Wange an seine Brust. „Wir werden bald Eltern sein, Richard.“
Er hielt sie fest. Er spürte genau, wie glücklich sie war, wie sehr sie sich freute. Er sah es in ihrem Blick und hörte es in ihrer Stimme.
Warum fühle ich mich dann bloß, als wäre jetzt die Falle zugeschnappt?
Sie legte den Kopf zurück, und sah ihm in die Augen. „Wie fühlst du dich?“ fragte sie, als könnte sie seine Gedanken lesen.
Die Wahrheit konnte er ihr unmöglich sagen, das würde sie unendlich verletzen. „Glücklich, vermutlich.“
Sie lachte. „Vermutlich?“
„Ja, entschieden glücklich.“ Er betrachtete ihr Gesicht und suchte nach Anzeichen von Zaudern oder jenen Zweifeln, die ihn verrückt machten, fand jedoch keine. „Es ist nur … ich kann nicht glauben, dass es geschieht.“
„Ich auch nicht. Ein Traum wird wahr.“
Ein Traum wird wahr … für dich.
Er hasste seine Gedanken und zog Kate fester an sich. Er war glücklich, natürlich war er das. Er war nur nicht so blauäugig wie Kate. Er war weder so abenteuerlustig noch so vertrauensvoll wie sie. Er war Anwalt, um Himmels willen, er sah stets mögliche Komplikationen und rechtliche Verwicklungen voraus.
Die ganze Sache konnte zur Katastrophe werden und Kate das Herz brechen.
„Du bist so still“, sagte sie leise.
„Ich denke nach.“
„Aha.“ Sie legte lachend den Kopf zurück. „Hör auf damit. Hör auf, Probleme zu suchen. Du wirst ein großartiger Daddy, Richard Patrick Ryan.“
Lächelnd ließ er sich von ihrer Freude anstecken. „Wie kommst du darauf?“
„Ich weiß es eben.“ Sie nahm sein Gesicht zwischen beide Hände und sah ihm in die Augen. „Du wirst der beste Daddy, den es je gegeben hat.“
16. KAPITEL
Kate und Richard trafen sich gleich Montagmorgen mit Ellen im Büro von Citywide. Das Treffen diente einem zweifachen Zweck. Zum einen war es eine Gelegenheit, die bevorstehende Adoption zu diskutieren, zum anderen würden sie die erste Befragung zur sogenannten „Heim-Studie“ über sich ergehen lassen. Das Gesetz in Louisiana verlangte eine solche Studie, bevor ein Kind zu Adoptiveltern gegeben wurde. Auf Grund der Umstände musste diese von Kate und Richard schnell erstellt werden.
Richard setzte sich in seinem Sessel zurecht und konnte nicht erwarten, dass die Befragung begann. Er hatte ein Geschäftsessen mit einem potenziellen Unterstützer seiner Wahlkampagne. Am Nachmittag hatte er eine Besprechung
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