Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
Vom Netzwerk:
manchmal kommt es mir so vor, als würdet ihr Smedrys es geradezu darauf anlegen, euch umbringen zu lassen, nur damit ich dann den Ärger habe.«
    »Ich werde mein Bestes tun, derartige Dinge zu vermeiden«, versprach ich aufrichtig, obwohl ihre Erklärung meine Gedanken in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt hatte. Jetzt, wo ich langsam, aber sicher lernte, die seltsamen Dinge zu akzeptieren, die gerade um mich herum passierten, fing ich an, in Grandpa Smedry meinen – nun ja – Großvater zu sehen. Und das wiederum hieß … Meine Eltern. Sie könnten tatsächlich irgendwie in diese Geschichte verwickelt sein. Es könnten tatsächlich sie gewesen sein, die mir diesen Beutel mit Sand geschickt hatten.
    Sie wären natürlich auch Smedrys. Gehörten sie dann also auch zu denen, die »es geradezu darauf anlegen, sich umbringen zu lassen«, wie Bastille es so nett ausgedrückt hatte?
    Oder trieben sich meine Eltern, wie diese ganzen anderen Verwandten, die ich plötzlich zu haben schien, irgendwo hier herum?
    Das war ein deprimierender Gedanke. Die meisten Pflegekinder sehen sich selbst nicht gern als Waisen. Wenn ihr mich fragt, ist dieser Begriff heutzutage sowieso überholt. Dabei denkt man an ausgezehrte kleine Diebe mit schmutzigen Gesichtern, die auf der Straße leben und ab und an von gutherzigen Nonnen eine warme Mahlzeit bekommen. Ich war kein Waisenkind – schließlich hatte ich jede Menge Eltern. Ich verbrachte eben einfach nicht besonders viel Zeit mit ihnen; mit keinem von ihnen.
    Ich hatte mir bisher nur selten die Mühe gemacht, Vermutungen über meine leiblichen Eltern anzustellen, da Ms. Fletcher sich stets geweigert hatte, meine Fragen über sie zu beantworten. Irgendwie fand ich den Gedanken, sie könnten am Leben sein, noch deprimierender als den, dass sie tot wären.
    Warum hast du die Küche deiner Pflegeeltern angezündet?, hatte Grandpa Smedry mich gefragt. Ich mochte die Richtung nicht, die meine Gedanken einschlugen, und konzentrierte mich lieber wieder auf Bastille.
    Sie war immer noch damit beschäftigt, sich kopfschüttelnd über die diversen Smedrys auszulassen, die sich in Schwierigkeiten bringen, auch wenn sie jetzt nur noch vor sich hin murmelte. »Dein Großvater«, sagte sie schließlich laut, »ist der Schlimmste von allen. Jeder normale Mensch vermeidet es, nach Interna Bibliothekia zu kommen. Immerhin haben die Bibliothekare in unseren Königreichen schon genug kriecherische Anhänger, um eine verdammte Bedrohung zu sein. Aber Leavenworth Smedry? Die zu bekämpfen ist ja bei weitem nicht gefährlich genug für ihn. Er muss unbedingt als Spion mitten in den versplitterten Ländern des Schweigens leben! Und natürlich muss er mich dahin mitschleifen.
    Und jetzt will er auch noch in eine Bibliothek eindringen. Und nicht einfach in irgendeine Bibliothek, sondern in das örtliche Hauptquartier, in die größte Bibliothek in drei Staaten.« Sie unterbrach sich und warf mir einen prüfenden Seitenblick zu. »Denkst du nicht auch, dass ich allen Grund habe, mich aufzuregen?«
    »Absolut«, nickte ich und bewies damit gleich noch einmal meine Klugheit.
    »Ja, das dachte ich mir«, meinte Bastille. Dann trat sie auf die Bremse.
    Ich wurde gegen die Armaturen geschleudert und hätte dabei fast meine Brille verloren. Stöhnend richtete ich mich wieder auf. »Was soll das?«, fragte ich und hielt mir den Kopf.
    »Was soll was? Wir sind da.« Damit riss sie die Tür auf und stieg aus.
    »Oh.« Ich öffnete die Wagentür und ließ den inneren Türgriff einfach auf die Straße fallen, als er sich aus der Verankerung löste. (So etwas läuft ganz automatisch ab, nachdem man die ersten ein- oder zweihundert Türgriffe abgebrochen hat.)
    Bastille hatte direkt gegenüber der Zentralbibliothek gehalten. Es war ein weitläufiges, einstöckiges Gebäude an einer Straßenecke. Ich kannte diese Gegend. Die Innenstadt war nicht besonders groß – nicht vergleichbar mit Städten wie Chicago oder Los Angeles –, aber sie konnte mit einer kleinen Ansammlung von Bürohäusern und Hotels aufwarten. Die ragten jetzt hinter uns auf; wir waren nur wenige Blocks vom Stadtzentrum entfernt.
    Bastille klopfte auf die Motorhaube und befahl dem Auto: »Such dir einen Parkplatz.« Der Wagen sprang unverzüglich an und machte sich auf den Weg.
    Ich hob ironisch eine Augenbraue und meinte: »Na, das ist doch mal praktisch.« Genau wie bei Grandpa Smedrys Wagen war auch hier nirgendwo eine Tankklappe zu sehen. Ich frage

Weitere Kostenlose Bücher