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Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Smedry?«
    »Ich denke, ich habe jetzt genug Fragen beantwortet«, sagte Ms. Fletcher abwehrend. »Jetzt musst du deinen Teil der Abmachung erfüllen. Wo ist der alte Mann?«
    Ich grinste sie an. »Habe ich vergessen.«
    »Aber … wir hatten eine Abmachung!«
    »Ich habe gelogen, Ms. Fletcher«, erklärte ich freundlich. »So etwas tue ich manchmal.«
    Seht ihr, ich habe es euch doch gesagt. Alles verändernde Erkenntnis hin oder her, ich war nie ein besonders guter Mensch.
    Ms. Fletcher riss die Augen auf und zeigte mehr Gefühle, als ich es je bei ihr erlebt hatte, indem sie begann, wenig schmeichelhafte Dinge über mich zu murmeln.
    »Das reicht«, meldete sich da eine neue Stimme zu Wort. Ein Arm in dunklem Anzugstoff schob Ms. Fletcher zur Seite, und Blackburn trat in mein Blickfeld, um sich vor der Zelle aufzubauen.
    »Du wirst mir jetzt sagen, wo sich der alte Narr aufhält, Junge«, sagte Blackburn leise.
    Er starrte mich an, und sein Monokel funkelte rötlich. Ich schwöre euch, sogar ohne meine Okulatorenlinsen konnte ich die feine schwarze Wolke sehen, die ihn umgab.
    »Wenn du es mir nicht freiwillig sagst«, fuhr er fort und nahm das Monokel ab, »werde ich dich eben dazu zwingen.« Er zog ein anderes Monokel aus seiner Westentasche. Es war schwarz-grün getönt. »Das ist eine Folterknechtlinse. Wenn ich hindurchsehe und mich dabei auf einen beliebigen Teil deines Körpers konzentriere, kann ich dir damit nicht unerhebliche Schmerzen zufügen. Sie sorgt dafür, dass deine Muskeln nach und nach reißen, und auch wenn dich das wahrscheinlich nicht töten wird, wirst du dir doch bald wünschen, dass genau das der Fall wäre.«
    Er hob die Hand und klemmte sich das Monokel ins Auge. »Ich habe schon miterlebt, wie Männer durch dieses Ding dauerhaft gelähmt wurden, Junge. Ich habe gesehen, wie sie sich selbst die Knochen brachen, weil sie sich auf dem Boden gewunden und wild um sich geschlagen haben, schreiend vor Schmerzen, die so stark waren, dass sie sich am liebsten selbst getötet hätten, nur damit die Qualen ein Ende hätten. Klingt das unterhaltsam für dich? Nun, falls nicht, solltest du anfangen, mit mir zu reden. Und zwar sofort!«
    Es ist schon komisch, was selbst die kleinste Führungsposition aus einem machen kann. Ein Hauch von Verantwortung, ein kleines bisschen Selbsterkenntnis, und schon war ich bereit, es mit einem ausgewachsenen Dunklen Okulator aufzunehmen. Ich biss die Zähne zusammen, streckte herausfordernd das Kinn vor und starrte ihm direkt in die Augen.
    Und so sorgte ich natürlich dafür, dass mein heroisches kleines Selbst sich eine Portion reinster, ungefilterter Schmerzen einfing.
    Das hier soll ein Buch für alle Altersgruppen werden, deshalb werde ich hier nicht in allen Einzelheiten schildern, wie es sich anfühlt, vom Strahl einer Folterknechtlinse getroffen zu werden. Versucht einfach, euch an die schlimmste Verletzung zu erinnern, die ihr je hattet. An die übelsten, qualvollsten Schmerzen eures Lebens. Wenn ihr die Erinnerung präsent habt, haltet sie fest.
    Dann stellt euch vor, ein Hai käme vorbeigeschwommen und würde euch in der Mitte durchbeißen, während ihr gerade nicht aufpasst. So ungefähr fühlte es sich an. Außer dass ihr noch das Gefühl addieren müsst, ein paar Granaten verschluckt zu haben, und dazu die Qualen eines ausgedehnten Abends in der Oper. (Und versucht gar nicht erst zu behaupten, ich hätte euch nicht gewarnt, was die Haie angeht.)
    Irgendwann ließen die Schmerzen nach. Ich lag mitten in der Zelle auf dem Boden, obwohl ich mich nicht daran erinnern konnte, hingefallen zu sein. Sing kniete neben mir, und sogar Bastille kam zu mir herüber; sie wirkte besorgt. Die Qualen ebbten langsam ab, und als ich hochsah, erkannte ich Blackburn, der wie ein dunkler Schatten vor der Zelle stand.
    Seine Lippen verzogen sich amüsiert. »So, Junge, und jetzt sag mir endlich, was ich wissen will.«
    Und das hätte ich. Das ist euer Held, Freie Untertanen. So schnell brach ich zusammen – ich hatte nie wirkliche Schmerzen kennengelernt; ich war nun einmal kein Soldat. Ich war einfach nur ein Kind, das sich in der Gewalt von Mächten befand, die es beim besten Willen nicht verstehen konnte. Ich hätte Blackburn alles gesagt, was er hören wollte.
    Ich bekam allerdings nie die Chance, etwas zu verraten. Denn in diesem Moment streckte Grandpa Smedry seinen Kopf in den Zellengang und lächelte strahlend.
    »Oh, hallo Blackburn«, sagte er freundlich. Dann

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