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Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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auch nicht weiter, Bastille«, stellte ich fest.
    »Oh, wirklich?«, giftete sie. »Und wie ist es damit, dämlich auf dem Boden herumzusitzen und Löcher in die Luft zu starren? Wie hilfreich ist das bitte?«
    Ich blinzelte verunsichert und lief rot an.
    »Bastille, meine Liebe«, sagte Sing leise. »Das war sehr grob, sogar für deine Verhältnisse.«
    Sie schäumte wortlos noch ein wenig vor sich hin, dann wandte sie sich ab. »Was auch immer«, murmelte sie, ging zu dem Heulager hinüber und trampelte frustriert auf den Halmen herum. »Es ist ja nur … der alte Smedry … Ich meine, er ist ein Idiot, aber wenn ich daran denke, dass er gerade gefoltert wird …«
    Es folgte ein weiterer Tritt ins Heu, woraufhin die Halme wild durch die Luft flogen. Sie prallten von der Wand ab und verteilten sich dann großzügig über Bastille, was in einer anderen Situation sicher ein äußerst komischer Anblick gewesen wäre.
    »Wir alle machen uns Sorgen um ihn, Bastille«, mahnte Sing.
    »Ihr versteht das nicht!«, rief sie, während sie sich das Heu aus den silbrigen Haaren pflückte. »Ich bin ein Ritter von Crystallia! Ich habe geschworen, die Okulatoren der Freien Königreiche zu beschützen. Und ich wurde damit beauftragt, seine Leibwache zu sein. Ich soll den alten Smedry beschützen – verhindern, dass er in genau solche Situationen gerät!«
    »Natürlich, aber …«
    »Nein, Sing«, unterbrach Bastille ihn. »Du verstehst es wirklich nicht. Leavenworth ist ein voll ausgebildeter Smedry der direkten Linie. Und nicht nur das, er ist auch noch ein Mitglied des Rats der Okulatoren und genießt das absolute Vertrauen von unzähligen Königen und Herrschern. Kannst du dir ungefähr vorstellen, in wie viele Staatsgeheimnisse er eingeweiht ist?«
    Sing runzelte besorgt die Stirn, und ich sah hoch.
    »Warum sonst, glaubst du, besteht der Rat darauf, dass er immer einen Ritter von Crystallia in seiner Nähe hat, der auf ihn aufpassen soll? Sicher, er beschwert sich darüber, behauptet, dass er keinen Crystin-Wächter braucht. Und der Rat hätte dieser Nörgelei bestimmt schon lange nachgegeben, wenn es dabei nur um sein Leben ginge. Aber er weiß zu viel, Sing. Wirklich wichtige Dinge. Deshalb soll ich ihn möglichst von allem Ärger fernhalten. Nur darum muss ich mein Bestes geben – um ihn zu beschützen.« Sie seufzte und ließ sich an der Wand zu Boden sinken. »Und ich habe versagt.«
    Genau in diesem Moment gab ich den wahrscheinlich dämlichsten Satz meines gesamten Lebens von mir: »Warum eigentlich du? Ich meine, wenn er so wichtig ist, warum haben sie dann von allen gerade dich ausgewählt, um ihn zu beschützen?«
    Ja, das war sehr unsensibel. Nein, es war nicht besonders hilfreich. Aber es war mir nun einmal einfach rausgerutscht.
    Außerdem wisst ihr nur zu gut, dass ihr euch beim Lesen genau dieselbe Frage gestellt habt.
    Bastilles Augen weiteten sich vor Wut, aber sie schrie mich nicht an. Schließlich ließ sie den Kopf auf die Knie sinken. »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Sie haben es mir nie gesagt – sie haben mir nie irgendeine Erklärung geliefert. Ich war gerade erst zum Ritter geschlagen worden, aber sie haben trotzdem mich geschickt.«
    Wir verfielen alle in brütendes Schweigen.
    Schließlich stand ich auf. Ich ging zum Gitter hinüber. Dann kniete ich mich hin. Ich habe Autos, Küchen und Hühner kaputt gemacht, dachte ich. Ich habe die Häuser und Habseligkeiten der Menschen zerstört, die mich bei sich aufgenommen haben. Ich habe die Herzen der Menschen gebrochen, die mich lieben wollten.
    Ich kann auch die Zelle aufbrechen, die mich gefangen hält.
    Ich griff nach den Stäben, schloss die Augen und konzentrierte mich.
    Brecht!, befahl ich ihnen. Die Kraft strömte durch meine Arme und kribbelte wie tausend Stromschläge. Dann traf sie auf die Gitterstäbe.
    Und es passierte rein gar nichts.
    Ich öffnete die Augen und knirschte frustriert mit den Zähnen. Die Stangen waren noch genau da, wo sie hingehörten. Sie hatten nicht einmal einen Kratzer abbekommen. Das Schloss war ebenfalls aus Glas, und irgendwie wusste ich, dass es ebenso wenig auf mein Talent reagieren würde wie das Gitter.
    Ich muss euch nochmals an die Eis-am-Stiel-Lektion erinnern. Etwas zu wollen sorgt nicht automatisch dafür, dass sich auf einmal die Welt verändert. In Geschichten wird diese Tatsache manchmal verschwiegen, da die Welt ein wesentlich besserer Ort wäre, wenn man etwas einfach dadurch bekommen

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